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Dekarbonisierung als Chance für den Straßengüterverkehr

15.05.2023

Die Logistikbranche verfügt über wirksame Hebel, die sie mit einer Dekarbonisierungsstrategie zum Erfolg führen kann. Dabei spielen laut Daniel Haag, Director Transport und Logistik bei Strategy&, vor allem vier Aspekte eine Rolle.

Sicher, die Ziele sind ambitioniert, die das Pariser Klimaabkommen auch der Transport- und Logistikbranche steckt. So müssten laut Umweltbundesamt die Emissionen aus dem Straßengüterverkehr bis 2030 um 26 Prozent im Vergleich zu 2018 reduziert werden. Noch ist man davon weit entfernt, stiegen doch die Emissionen beim Straßentransport zwischen 1995 und 2018 um 22 Prozent. Aber die Branche verfügt durchaus über wirksame Hebel, die sie mit einer gezielten Dekarbonisierungstrategie zum Erfolg führen können. Dabei spielen vor allem vier Aspekte eine Rolle: die kosteneffiziente Elektrifizierung des Fuhrparks, der Aufbau der Ladeinfrastruktur, die Integration in betriebliche Abläufe und Partnerschaften mit anderen Marktteilnehmern.

Elektro-Lkw immer attraktiver

Ein Kernelement jeder Dekarbonisierungsstrategie sind Lkw- und Trailertechnologien. Natürlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, welche Technologie, und damit welche Antriebsart, die jeweils passende Lösung ist. Doch mittlerweile spricht deutlich mehr für die Elektrifizierung von Lkw als dagegen. So beschleunigen in Europa regulatorische und wirtschaftliche Maßnahmen die Transformation: Getrieben durch die forcierte Elektrifizierung sollen 2030 die durchschnittlichen Emissionen pro Neufahrzeug um 30 Prozent geringer sein. Dafür schafft die Politik auch Anreize: Das Mautsystem der EU sieht vor, dass Zero Emission Vehicles (ZEVs) ab Mai 2023 einen Rabatt von 50 Prozent erhalten. Dies entspricht einer durchschnittlichen Ersparnis von bis zu 25.000 Euro pro Lkw und Jahr.

Die Anschaffung emissionsfreier Lkw wird mit 1,6 Milliarden Euro vom deutschen Staat unterstützt, und damit werden jeweils 80 Prozent der zusätzlichen Investitionen für den Kauf von batterieelektrischen Trucks (BET) sowie der Betriebskosten für eine emissionsfreie Ladeinfrastruktur finanziert. Es ist zwar davon auszugehen, dass mittelfristig die Beschaffungspreise für BETs weiterhin höher liegen als für Diesel-Lkw, aber insgesamt ist damit zu rechnen, dass BETs ab 2025 geringere Gesamtbetriebskosten (TCO) als Verbrennungsmotoren haben werden. Die Gründung von Einkaufsgemeinschaften – auch mit Wettbewerbern – kann darüber hinaus helfen, die Verfügbarkeit der Fahrzeuge zu erhöhen und die Kosten zu senken.

Aufbau der Ladeinfrastruktur

Ein weiterer wichtiger Teil in der Dekarbonisierungstrategie ist die Errichtung von Ladeinfrastruktur und die Einbindung (öffentlicher) Ladepunkte in die betrieblichen Abläufe. Das Laden der Fahrzeuge im eigenen Depot hat Vor- und Nachteile, die betriebsspezifisch unterschiedlich ausfallen. Für das eigene Depot sprechen die im Vergleich mit öffentlichen Ladesäulen geringeren Ladekosten; zudem kann das Unternehmen den Energiemix („Grünstrom“) und den Preispunkt (Lieferverträge für Energie) aktiv steuern. Außerdem ist im eigenen Depot das Laden in Stillzeiten gut planbar. Als Faustformel für die Investitionskosten für die Einrichtung einer eigenen Ladeinfrastruktur gilt: Mittelgroße Logistikunternehmen mit einer Flotte von rund zehn Lkw benötigen drei 250-kW-Ladesäulen, was derzeit einer Investition von rund 450.000 Euro entspricht.

Manchen Unternehmen fehlt allerdings schlicht der Platz, um die Fahrzeuge auf dem eigenen Betriebsgelände zu laden, und nicht selten nehmen die Fahrer ihre Fahrzeuge (vor allem Lieferwagen) mit zu sich nach Hause. Auf der anderen Seite ist auch bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur noch deutlich Luft nach oben: Im Zuge des „Fit for 55“-Programms hat die EU zwar die Rahmenbedingungen für den Aufbau der europäischen Ladeinfrastruktur festgesetzt. Die dabei anvisierte Dichte der öffentlichen Ladeinfrastruktur erscheint zwar ausreichend, nicht jedoch die vorgesehene Kapazität der einzelnen Ladepunkte; hier muss mittelfristig nachgebessert werden.

Da, wo Fahrzeuge nicht im Depot geladen werden können, gilt es, teils noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen: Für einen wirtschaftlichen Betrieb müssen die teureren Fahrzeuge bestmöglich ausgelastet werden, und die Ruhezeiten der Fahrer und die Ladezeiten des Fahrzeugs müssen zur Deckung gebracht werden – bei der derzeitigen Dichte der Ladepunkte und der Reichweite der Fahrzeuge in Verbindung mit den Unwägbarkeiten des Verkehrs kein triviales Unterfangen. Zudem ist die Kompatibilität der Verbindungsstecker mit den Fahrzeugen nicht immer sichergestellt, und der Preis für die Ladevorgänge ist signifikant höher als im Depot.

Druck von Kundenseite wächst

Nicht nur regulatorisch steigen die Anforderungen an die Transport- und Logistikbranche. Auch immer mehr Kunden verlangen nach klimafreundlichen Logistiklösungen. Ein Dilemma für Unternehmen: Denn die Zahlungsbereitschaft für „grüne Logistik“ wächst nicht im gleichen Maße wie die Nachfrage danach, und Kunden wollen oft keinen Aufpreis bezahlen. Mittelfristig ist allerdings damit zu rechnen, dass die Zahlungsbereitschaft wächst, je mehr Versender ihre Scope-3-Emissionen reduzieren müssen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Zusammen mit den perspektivisch sinkenden TCO für ZEV spielt die Zeit also für die Branche. Doch bis es so weit ist, stellt sich die Frage, wie höhere Kosten für nachhaltige Logistikleistungen gestemmt werden können. Hier sind strategische Partnerschaften ein Weg, um nicht nur Kostenvorteile durch Skalierung und Synergien zu realisieren, sondern auch neue Fähigkeiten aufzubauen, die heute noch nicht im Unternehmen vorhanden sind. Dazu zählt auch die Nutzung von Monitoring Tools für Emissionen, mit denen Logistikdienstleister ebenso wie ihre Kunden nachvollziehbare und nutzbare Daten für ihre Klimaberichterstattung generieren können.

Ausblick

Wer jetzt sein Unternehmen mit der richtigen Dekarbonisierungsstrategie nachhaltig zu einem grünen Logistikanbieter transformiert, für den bieten sich zahlreiche Chancen – regulatorisch, finanziell und reputatorisch –, die sich zu einem echten Wettbewerbsvorteil entwickeln können. Damit das gelingt, sollten Unternehmen schnell mit ersten Pilotprojekten beginnen und gleichzeitig eine klare Roadmap verfolgen, um diese umfassende Transformation schrittweise zu bewältigen. (fw)

Daniel Haag ist Direktor im Bereich Transport und Logistik bei Strategy&, der Strategieberatung von PwC

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