Eine neue Pflicht zur Sorgfalt: Unternehmen müssen sich künftig darüber informieren, wie ihre Lieferanten arbeiten, und Missstände bei Arbeitsbedinungen und Umweltverhalten beheben. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überprüft ihr Vorgehen.

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Lieferkettengesetz: Auftraggeber müssen Verantwortung wahrnehmen

05.05.2023

Eine neue Pflicht zur Sorgfalt: Unternehmen müssen sich künftig darüber informieren, wie ihre Lieferanten arbeiten, und Missstände bei Arbeitsbedinungen und Umweltverhalten beheben. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überprüft ihr Vorgehen.

Seit Jahresbeginn ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft, zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab dem kommenden Jahr gilt es auch für Firmen ab 1.000 Mitarbeitern. Für das Jahr 2025 wird zudem das europäische Lieferkettengesetz erwartet, das auch Betriebe ab 500 Beschäftigte einschließen wird. Beide Gesetze sollen sicherstellen, dass sich Unternehmen bei der Beschaffung an den Prinzipien sozialer Verantwortung orientieren.

Zentraler Anspruch ist es, dass Menschenrechte und Umweltschutzstandards vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt gewahrt bleiben. Diese Zielsetzung gilt auch für sämtliche Dienstleistungen entlang der Supply Chain – und damit ebenfalls für Transport und Logistik als zentrale Bestandteile von Lieferketten.

Das LkSG orientiert sich an den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, die auf den Einfluss von Unternehmen bei der Verwirklichung von Menschenrechten hinweisen. Diese verpflichten Staaten wie die Bundesrepublik dazu, Rahmenbedingungen zu schaffen, durch die Unternehmen den Schutz von Menschenrechten und Arbeitsbedingungen gewährleisten. Dazu sollen Firmen ein Vorgehen entwickeln, das negative Auswirkungen ihres Wirtschaftens vermeidet, verringert oder ausgleicht. Für Menschen, deren Rechte verletzt werden, soll zudem ein leicht zugänglicher Beschwerdeweg bereitstehen, damit sie schnell Abhilfe erhalten können.

Als Gesetz wirksam

Diese Prinzipien überführt das LkSG in nationales Recht. Wer dieses missachtet, kann bestraft werden – so weit die Ausgangssituation. Das Gesetz soll Umweltzerstörung und Ausbeutung verhindern, insbesondere Kinder- und Zwangsarbeit, und so auf ein nachhaltiges Wirtschaften hinwirken. Es verlangt von den ihm unterliegenden Betrieben aber nicht, dafür geradezustehen, dass dies immer gelingt. Stattdessen gibt es ein offenes Vorgehen vor, das dazu geeignet ist, Missstände zu erkennen und so schnell wie möglich zu beheben. Juristisch ausgedrückt bedeutet das Gesetz eine Bemühenspflicht, aber keine Erfolgspflicht.

Damit die Menschenrechte gewahrt werden und Umweltzerstörung verhindert wird, sollen Unternehmen

-eine Grundsatzerklärung über ihre Menschenrechtsstrategie abgeben
-zuständige Personen für die Einhaltung des LkSG festlegen
-regelmäßig Risikoanalysen durchführen
-ein Risikomanagement etablieren
-wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen
-jährlich einen Bericht zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten veröffentlichen
-ein Beschwerdeverfahren für Hinweisgeber auf Unstimmigkeiten einrichten.

So weit ist das Feld, innerhalb dessen sich Firmen um ihre Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette bemühen sollen. Kontrolliert wird nicht, wie sie ihre Lieferketten steuern, sondern lediglich der Bericht, den sie über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten erstellen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist mit der Überprüfung dieser Dokumente betraut.

BAFA erarbeitet Handreichungen

Richard Wilhelm ist beim BAFA Mitglied des Aufbaustabs für die Außenstelle in Borna, die mit den Kontrollaufgaben nach LkSG betraut ist. Als einer der ersten Mitarbeiter war er dabei, als die Einrichtung am 10. Dezember 2022 ihren Dienst aufnahm. Ein bewusst gewähltes symbolisches Datum: der Tag der Menschenrechte. In Sachsen verfügt das BAFA in der Abteilung 7 mit ihren fünf Referaten über 101 Planstellen im Zusammenhang mit den Kontrollaufgaben durch das LkSG.

Weil das Gesetz und die damit verbundenen Aufgaben noch ganz neu seien und man sich auf keinerlei Vorerfahrungen stützen könne, sind Wilhelm und seine Kollegen derzeit mit Aufbauarbeit beschäftigt. Sie müssen verstehen, wie sich die unternehmerische Realität in den geforderten Berichten abbilden lassen kann und welche Schwierigkeiten dabei beispielsweise komplexe Konzernstrukturen bedeuten. „Für uns ist es sehr wichtig, im Gespräch zu sein“, sagte Wilhelm Anfang März bei einer Informationsveranstaltung zum LkSG in Köln.

Das BAFA erarbeitet deshalb Schritt für Schritt die im LkSG zugesagten Handreichungen für Unternehmen, an denen sich diese in der Umsetzung des Gesetzes orientieren können. „Wir wollen an der Seite der Unternehmen stehen“, sagt Wilhelm. Der Jurist wird später einmal Referatsleiter für Ordnungswidrigkeiten sein. Bislang hat das BAFA bereits Dokumente zur Berichtserstellung, zur Risikoanalyse und den Kriterien der Angemessenheit erstellt. Diese präzisieren die Anforderungen und Aufgaben, die sich für Unternehmen ergeben.

Wissen schaffen und teilen

Kompetenzzentrum wolle das BAFA werden und eine Informationsdatenbank aufbauen, aus der Unternehmen mehr erfahren können über die Risiken entlang ihrer Lieferketten. Wilhelm weist darauf hin, dass die ersten Pflichten für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern bereits gültig seien: eine verantwortliche Person zu benennen, ein Risikomanagement einzurichten und Risikoanalysen durchzuführen. Außerdem seien ein wirksamer Kontrollmechanismus zu entwickeln, wichtige Informationen nicht zu übersehen und die Ergebnisse sowie die unternehmensinterne Kommunikation darüber zu dokumentieren.

„Unternehmen sollen nachweisen, dass sie sich kontinuierlich und ernsthaft bemühen, ihre Risiken wahrzunehmen – das ist auch ein Stück weit die Perspektive, aus der wir prüfen“, sagt Wilhelm. Reguliert wird also kein am Reißbrett entworfenes Vorgehensmodell, das pauschal für alle Unternehmen entwickelt worden wäre. Das Gesetz ist darauf eingestellt, dass sich jede Lieferkette anders zusammensetzt und sich die Beziehungen zwischen Auftraggebern und ihren Lieferanten von Fall zu Fall unterscheiden.

Man wolle gezielt Spielräume für unternehmerisches Handeln geben, erwarte aber auch Konsequenz und den bewussten Umgang mit den Kriterien der Angemessenheit. Es gehe darum, sich zuerst mit den Lieferanten auseinanderzusetzen, bei denen konkrete Risiken bestünden und mit schweren Verletzungen zu rechnen sei. Vor dem Abgabestichtag am 1. Juni 2024 sei das BAFA bereit, Unternehmen mit Hinweisen bei der Berichtserstellung zu helfen.

Konzernunternehmen sollen zentrale Strukturen aufbauen dürfen und anstelle von Redundanzen dieselben Inhalte gemeinsam verwenden. Wichtig sei dabei jedoch, dass jedes Unternehmen als rechtliche Einheit auch einen eigenen Bericht abgebe. Man verlange zudem keine allumfassende Beschreibung der Risikoanalyse und ihrer Ergebnisse. „Wir erwarten aber eine plausible Darstellung der Priorisierung und davon, welche Maßnahmen ein Unternehmen ergreift, um Risiken abzustellen“, verdeutlicht Wilhelm.

So wird geprüft

Deshalb genüge es auch nicht, Lieferanten um eine schriftliche Bestätigung zu bitten, dass bei ihnen selbst alles in Ordnung sei und in ihrer Lieferkette keine Risiken bestünden. Die Sorgfaltspflichten ließen sich nicht in dieser Form auf die Lieferanten übertragen, jedes Unternehmen müsse sich selbst ein eigenes Bild machen und könne sich nicht auf Dritte verlassen. Solche Versuche würden bei der Berichtsprüfung moniert.

Den Fragebogen im Online-Abgabeverfahren für die Berichte hat das BAFA Ende März bereits aktualisiert. Man prüfe zudem Möglichkeiten einer Zwischenspeicherung, um eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu erleichtern. Weiter überlege man, eine Schnittstelle einzurichten, über die sich vorgefertigte Dokumente automatisch abgeben lassen, erklärt der Referatsleiter.

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