DVZ: Herr Abel, wie entwickelt sich Ihrer Einschätzung nach das Thema Klimaschutz aktuell?
Florian Abel: Auch wenn wir gesellschaftlich insgesamt Fortschritte beim Klimaschutz machen, so merken wir leider, dass diese immer noch viel zu gering sind, um die Klimaziele zu erreichen und die Auswirkungen unseres Handelns zu reduzieren. Hier greifen Stakeholder, vor allem die Politik, nun verstärkt ein und bringen Gesetze auf den Weg, die die Klimaschutzaktivitäten der Unternehmen sehr dynamisch beeinflussen. Beispiele sind die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), eine Berichtspflicht für Unternehmen, oder auch das deutsche Postgesetz. Dies wird gerade reformiert und soll künftig zur sozialökologischen Transformation der Branche beitragen sowie Anreize für eine nachhaltigere Paketlogistik enthalten.
Wie ist es in der KEP-Branche? Viele der Auftraggeber haben ja auch ihre eigenen ambitionierten Klimaschutzziele.
Natürlich – und deren Logistik schließen diese Ziele mit ein, folglich auch uns als Paketdienstleister und letzte Etappe in der Customer Journey. Für uns ist es keine Frage, all diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Neben umfangreichen Reportings geht es auch – und vor allem – um die ambitionierte Reduktion der CO2-Emissionen. Und hier sind wir bei uns dran. Denn trotz
der vielfältigen Herausforderungen ist dies der richtige Weg, um der Klimakrise zu begegnen – und wir werden seitens Hermes Germany hier unseren Beitrag leisten.
Wie gehen Sie an die Sache ran?
Unser aktueller Fokus liegt auf der emissionsfreien Belieferung auf der letzten Meile. Bis 2025 werden wir in 80 deutschen Städten mittels E-Transporter und Lastenräder Sendungen zustellen. Zusätzlich sind alternative Antriebe für den schweren Verteiler- und Zubringerverkehr ein wichtiges Thema. Mit Blick darauf ist der Einsatz von E- und auch Wasserstoff-Lkw für uns sehr interessant, weshalb wir hier gemeinsam mit den Herstellern die Erprobung entsprechender Modelle vorantreiben. Weitere Alternativen sind für uns der Transport mit der Bahn oder auch per Lang-Lkw, der allein durch Kapazitätssteigerungen Verkehrswege und Umwelt schont. Energieeffiziente Standorte, die Elektromobilität in Form von Ladeinfrastruktur mitdenken, sind ein weiterer wichtiger Punkt, mit dem wir uns beschäftigen.
Natürlich stoppen wir nicht bei der elektrischen Zustellung in den Innenstädten, sondern werden unsere Klimaschutzambitionen weiter steigern. Wir bekennen uns zum Pariser Klimaschutzabkommen und haben uns als Teil der Otto Group zu der Science Based Targets Initiative verpflichtet. Wir sind fest entschlossen, unsere erfolgreichen Maßnahmen weiter zu intensivieren und auszubauen.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie beim Roll-out der emissionsfreien Zustellung?
Aus meiner Sicht liegt eine große Chance in der zeitlichen Dimension. Nicht irgendwann in der Zukunft, sondern bereits heute trägt die KEP-Branche mit Lösungen zu der Transformation von immer mehr Städten bei und kann so Partner für die Klimaschutzziele der Kommunen sein. Da sich die Emissionsreduktion im Verkehrssektor leider weiterhin schwierig gestaltet und die dahingehenden Ziele für 2022 verfehlt wurden und eine starke Reduktion noch nicht zu erkennen ist. Die gemeinsame Nutzung von Ladeparks ist eine weitere Chance für mehr Klimaschutz. Hier können Kommunen durch eigene Ladeparks oder beispielsweise das Reservieren von Flächen für diese Zwecke einen entscheidenden Beitrag leisten.
Und die Kosten?
Kostenunterschiede zwischen der emissionsfreien Zustellung und der Zustellung mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen sind für uns eine große Herausforderung. Hier spielen neben den Fahrzeugkosten die Ladeinfrastruktur und Flächen eine wichtige Rolle. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Verfügbarkeit von Flächen mit geeigneten Netzanschlüssen für Logistiker in Gewerbegebieten respektive die Erschließung von Ladeparks, um dort die Flotte zu elektrifizieren.
Aber die Konkurrenz um Flächen ist groß.
Richtig. Und Logistiker sind nicht immer ganz oben auf der Wunschliste der Kommunen. Auch der regulatorische Rahmen muss weiter angepasst werden. Beispielsweise brauchen Lastenräder mitunter Sondergenehmigungen, da sie teilweise nicht in Innenstadtbereichen fahren dürften. Herausfordernd ist auch, dass viele Kommunen ganz unterschiedliche Bedingungen haben, sodass wir unsere Lösungen immer wieder neu anpassen müssen. Dies erhöht für uns den Aufwand, da wir einmal konzipierte Lösungen nicht immer wieder anwenden, sondern stets adaptieren müssen.
Welche Rolle spielt das Thema Daten?
Hier finde ich ein Zitat von Peter Drucker sehr passend: „You can’t manage what you can’t measure“ („Du kannst nicht managen, was Du nicht messen kannst“, Anm. d. Red.). Daten sind das Fundament unserer Klimaschutzaktivitäten. Vor einiger Zeit haben wir unsere CO2-Berechnung auf komplett neue Füße gestellt. Heute sind wir in der Lage, die CO2-Belastung einer Paketlieferung zu entschlüsseln, etwa bezogen auf Zustellart, Standorte, Transportabschnitte oder die sogenannte letzte Meile. Unsere Data Analytics Solution folgt einer stringenten Methodik und entspricht den relevanten Reporting-Standards. Zusätzlich eröffnen sich uns neue Wege in der Bestimmung und der Bewertung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion. Wie eingang schon beschrieben, haben wir auch immer mehr Stakeholder, die eine moderne, valide CO2-Berechnung erwarten. Daten schaffen aber nicht nur Transparenz, sondern helfen uns auch konkret CO2 einzusparen. Durch die wir täglich gefahrene Kilometer und damit CO2-Emissionen einsparen.
Steckbrief Florian Abel
• Rolle: Sustainability Officer und damit zentral verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit bei Hermes Germany. Erarbeitung der Strategie, Ziele und Maßnahmen; Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit durch die Fachbereiche
• Beruflicher Hintergrund: Studium Internationales Management im Doppelabschlussprogramm von ESB Reutlingen und Dublin City University; danach knapp sieben Jahre Inhouse Consulting bei der Otto Group; seit knapp zwei Jahren bei Hermes Germany
• Status: Verheiratet, zwei kleine Kinder
• Leidenschaft: Triathlon/Ausdauersport
Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
CO2-Werte sind plausibel und dennoch nicht vergleichbar, denn das hinter den Berechnungen liegende Rahmenwerk ist ganz entscheidend. CO2-Berechnungen folgen anerkannten Standards wie etwa dem GLEC und werden heute schon über Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Zuge von Jahresabschlüssen als plausibel eingestuft. Die Rahmenwerke geben jedoch keine detaillierte Berechnungslogik und auch keine Daten für alle Teilbereiche vor, sodass erhebliche Interpretationsspielräume bestehen. Für den tatsächlichen CO2-Fußabdruck eines Pakets muss beispielsweise der Kraftstoffverbrauch der im Logistikprozess beteiligten Fahrzeuge bekannt sein. Dies ist allerdings oft nicht oder nur in Teilen der Fall, wodurch entsprechend mit Annahmen gearbeitet werden muss. Und das ist ein Knackpunkt. Annahmen können unterschiedlich ausfallen und damit die gesamte CO2-Bilanz des Pakets. Ob ein Lkw mit einem durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von 29 oder 33 Litern in die Berechnung eingeht, macht für den Fußabdruck des Pakets einen riesigen Unterschied. Dies ist besonders prekär, da der Kraftstoffverbrauch nur beispielhaft für eine Vielzahl von ähnlichen Parametern steht.
Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund
die Debatte um eine mögliche CO2-Kennzeichnung von Paketen?
CO2-Transparenz bei Paketen aber auch in anderen Lebensbereichen finde ich persönlich sehr wichtig, um das eigene Handeln und die Wirkung auf die Klimakrise zu verstehen und beeinflussen zu können. Konkrete CO2-Werte finde ich vor allem dann relevant, wenn das Paket zugestellt und der tatsächliche Fußabdruck der Sendung bekannt ist. Der CO2-Fußabdruck eines Paketes ist individuell, da er von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, die sich erst im Verlauf der Prozesskette manifestieren (unter anderem tatsächlich genutzte Fahrzeuge, Auslastung der Fahrzeuge, Distanz, Paketgewicht). Durchschnittswerte aus Hunderten von Millionen Paketen sind da wenig aussagekräftig oder sogar irreführend. Wichtig im Sinne des Klimaschutzes finde ich auch eine möglichst hohe Transparenz zu CO2-reduzierten Zustelloptionen zu schaffen, bevor ein Paket auf die Reise geht, beispielsweise im Check-out eines Onlineshops. Allein die Zustellung an einen Hermes Paketshop spart laut unseren Berechnungen durchschnittlich 25 Prozent der Emissionen einer Sendung ein, wenn der oder die Empfänger es emissionsfrei beziehungsweise -arm abholt – und kann durch jeden Empfänger individuell entschieden werden.
Corporate Sustainability Reporting Directive
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bringt neue Reportingpflichten für circa 15.000 Unternehmen allein in Deutschland mit sich, die umfangreiche Angaben zu den ESG-Bereichen (Environmental, Social, Governance) und damit auch zu den Klimaschutzaktivitäten machen müssen. Die Informationen müssen im Lagebericht des Geschäftsberichts enthalten sein und entsprechend einer Wirtschaftsprüfung standhalten. Auch Hermes Germany bereitet sich derzeit auf die Einführung der CSRD vor.