Der Traum vom elektrischen Fliegen beginnt sich bereits zu erfüllen. Aber auf absehbare Zeit wird das nur auf kurzen Strecken möglich sein. (Visualisierung: 3000ad/iStock)

Luftfahrt 2050: Luftverkehr braucht alle verfügbaren Ideen

01.03.2023

Schon heute ist Fliegen für viele eine Gewissensfrage. Doch die Perspektive ist nicht, kein Flugzeug mehr zu besteigen: Stattdessen muss der Luftverkehr bis 2050 viel nachhaltiger werden als heute. Ein Gastbeitrag von Thorsten Lange.

Fliegen gehört für viele von uns zum Leben dazu. Die Luftfahrt besitzt zudem einen hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert. Laut einem Bericht des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zeigen etwa Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, dass Flugverbindungen für knapp 74 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland sehr wichtig oder wichtig sind. Aber: Fliegen wird auch immer mehr zur Gewissensfrage, wenn es ums Thema Nachhaltigkeit geht. Wie stellen wir uns also den nachhaltigen Luftverkehr der Zukunft vor?

Auf dem Weg zu Netto-Null

Die gute Nachricht ist, dass sich die Luftfahrtindustrie verpflichtet hat, bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen hinzuarbeiten. Es wird nicht einfach, aber es gibt Lösungen, mit denen wir die Emissionsziele für 2050 erreichen können.

Entscheidend ist: Wir benötigen alle verfügbaren Lösungen, um die CO2-Emissionen zu senken. Effizienzsteigerungen in der bestehenden Triebwerkstechnik und Streckenplanung können bereits umgesetzt werden und werden auch weiterhin benötigt. Neue Technologien zum Antrieb von Flugzeugen wie Elektro-, Wasserstoff- und Power-to-Liquid-Technologien werden ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Doch es wird noch einige Zeit dauern, bis diese Lösungen ausgereift sind. Außerdem muss auch die notwendige Infrastruktur am Boden entwickelt werden, was ebenfalls Investitionen und Zeit braucht. Und genau da liegt das Problem: Wir haben keine Zeit.

Großes Potenzial von SAF

Wir verfügen aber auch heute bereits über Lösungen, die noch weiterentwickelt werden können: nachhaltige Flugkraftstoffe. Diese Sustainable Aviation Fuels (SAF) sind Treibstoffe, die aus nicht-fossilen Rohstoffen wie gebrauchtem Speiseöl hergestellt werden. Die Rohstoffe werden in einen Treibstoff verwandelt, der zwar über ähnliche Eigenschaften wie fossile Treibstoffe verfügt, aber nicht deren hohe CO2-Emissionen verursacht.

Durch den Einsatz von SAF können die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Treibstoffen über den gesamten Lebenszyklus um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig lassen sich die sogenannten Nicht-CO2-Effekte des Luftverkehrs durch SAF erheblich reduzieren. Nicht-CO2-Effekte, etwa Auswirkungen von Kondensstreifen, generieren zwei Drittel des gesamten Klimaeffekts von konventionellen Treibstoffen. SAF kann in bereits vorhandenen Flugzeugen und innerhalb der bestehenden Treibstoffinfrastruktur eingesetzt werden.

Heute entfällt der größte Anteil des weltweiten Verbrauchs an Flugzeugtreibstoffen mit rund 80 Prozent auf Flüge mit Entfernungen von mehr als 1.500 Kilometern. Die übrigen 20 Prozent machen Kurzstreckenflüge aus, wobei dieser Anteil im Laufe der Zeit aufgrund neuer Technologien sowie anderer Verkehrsmittel – etwa der Umstieg auf den Schienenverkehr für kürzere Strecken – zurückgehen wird. Die eigentliche Herausforderung besteht also darin, Langstreckenflüge nachhaltiger zu gestalten.

Neue Antriebstechnologien

Wir haben bereits das erste Elektroflugzeug in der Luft gesehen. Aber in absehbarer Zukunft wird das elektrische Fliegen wohl eher eine Lösung für Kurzstreckenflüge sein.

Airbus hat drei ZEROe-Konzepte für Hybrid-Wasserstoff-Flugzeuge in der Entwicklung, die durch Wasserstoffverbrennung angetrieben werden. Zudem arbeitet das Unternehmen daran, bis 2035 ein emissionsfreies Verkehrsflugzeug auf den Markt zu bringen.

Eine weitere vielversprechende Lösung am Horizont ist Power-to-X (oder E-Fuels). Man entnimmt der Atmosphäre CO2und bindet den Kohlenstoff mit nachhaltig erzeugtem Wasserstoff. Weil CO2 und Wasser nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehen, dürfte dies in der Tat einen Wendepunkt darstellen. Der Engpass liegt jedoch in der Herstellung des benötigten Wasserstoffs: Um wirklich klimaneutral zu sein, muss es sich um „grünen“ Wasserstoff handeln, der per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Der Bedarf an zusätzlicher erneuerbarer Energie ist enorm – und es wird ganz sicher eine Weile dauern, bis wir die nötigen Kapazitäten aufgebaut haben, damit E-Fuels eine bedeutende Rolle im Verkehr spielen können.

SAF sind für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs daher auch in Zukunft unerlässlich. Prognosen gehen davon aus, dass nachhaltige Flugkraftstoffe bis 2050 etwa 65 Prozent der Emissionsreduzierungen erbringen werden, die erforderlich sind, um das Netto-Null-Emissionsziel im Luftverkehr zu erreichen. SAF sind bereits heute erhältlich, befinden sich aber noch in der Frühphase der Vermarktung, und die verfügbaren Mengen sind begrenzt.

Um die Verfügbarkeit von SAF zu erhöhen, brauchen wir mehr Produktionskapazitäten, aber Investitionen in die SAF-Produktion sind sehr teuer, und Investoren brauchen Nachfragesicherheit. Wir müssen zudem in der Lage sein, die breite Palette der heute verfügbaren nachwachsenden Rohstoffe für die Herstellung von SAF zu nutzen. Dabei spielt der Gesetzgeber eine entscheidende Rolle. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann halte ich die von der EU gesetzten Ziele für die Beimischung von SAF für sehr realistisch: eine schrittweise Steigerung von 2 Prozent im Jahr 2025 auf 63 Prozent im Jahr 2050. Am Anfang könnte die Steigerung sogar noch ehrgeiziger sein als vorgeschlagen.

Die Politik kann Investitionen in die SAF-Produktion etwa durch verpflichtende Beimischungsquoten beschleunigen. Die ReFuelEU-Initiative der Europäischen Union wird voraussichtlich bis 2025 einen EU-weiten Markt für SAF schaffen. Außerdem läuft die Forschung zur Nutzung von 100 Prozent SAF, beispielsweise in einem Projekt von Airbus, Rolls-Royce und Neste. Das Ziel: SAF für die 100-prozentige Nutzung zertifizieren.

Nachhaltiger Luftverkehr 2050

Die Flugzeuge werden 2050 wahrscheinlich anders aussehen als heute. Die Luftfahrt wird nachhaltiger sein. Doch der Weg dahin ist nicht umsonst zu haben. Wer heute für 10 Euro nach Mallorca fliegt, macht kein Schnäppchen: Er reicht die Rechnung lediglich an den Planeten weiter.

Wenn wir die Herausforderungen bewältigen, dann werden künftige Generationen in einer Welt leben, die sauberer und grüner ist. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei Unternehmen und Politik. Die Verantwortung liegt bei allen. Jeder kleine Beitrag, den wir in der Luftfahrt und bei Flugreisen leisten, trägt zu einer grüneren Zukunft bei. Lassen Sie uns dieses Ziel also schneller, mutiger und gemeinsam in Angriff nehmen. (kl)

Thorsten Lange ist Executive Vice President des Geschäftsbereichs Renewable Aviation von Neste. Seit seinem Eintritt in das Unternehmen im Januar 2020 ist er Mitglied des Executive Committee.

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