Amazon möchte in den kommenden Jahren mehr als 1.500 elektrische Lkw für das europäische Transportnetzwerk anschaffen, davon mehr als 500 in Deutschland.

Bild: Amazon

„Gemeinsam können wir mehr positiven Einfluss nehmen“

05.12.2023

Andreas Marschner ist bei Amazon als „Vice President Amazon Transportation Services Europe and Worldwide Operations Sustainability“ für die Nachhaltigkeit der weltweiten Konzernlogistik verantwortlich. Im zweiten Teil des Interviews geht es um die Einsatzmöglichkeiten für Lastenräder, die sozialen Faktoren der Nachhaltigkeit und Allianzen in der Logistik.

DVZ: Welche Rolle spielen Lastenräder oder auch die automatisierte Zustellung auf der letzten Meile für Amazon?

Andreas Marschner: Das ist vor allem ein Thema in den Ballungszentren. In vielen europäischen Städten haben wir dafür Micro Hubs eingerichtet. Durch diese zentral gelegenen Lieferstationen werden herkömmliche Lieferwagen von der Straße genommen, was die Verkehrsbelastung in den Innenstädten verringert und die Luftqualität verbessert. Wir verwenden eine ausgeklügelte Technologie, die die Routen so plant, dass zahlreiche Faktoren wie Paketvolumen, Komplexität der Adressen und angemessene Pausenzeiten berücksichtigt werden. Außerdem platzieren wir Verteilzentren und Locker dort, wo viele Kundinnen und Kunden wohnen.

Wie sieht das konkret aus?
Ein Beispiel: Wenn wir die Öffnungszeiten eines Geschäfts kennen, das einen Artikel bestellt hat, planen wir die Auslieferung entsprechend. Klingt offensichtlich, hat aber einen großen Einfluss auf die Abläufe.

Und welche Maßnahmen ergreift Amazon auf der Langstrecke?

Neben den elektrischen Lkw testen wir auch wasserstoffbetriebene Lkw. Und während wir noch an der Umstellung auf die effizientesten und modernsten Fahrzeugtechnologien arbeiten, maximieren wir auch die Effizienz der bestehenden Lieferflotten. Zusätzlich bauen wir den multimodalen Transport aus, um die Emissionen aus dem Straßenverkehr zu reduzieren. In Europa nutzen wir auch den Schienenverkehr, um Waren von einem zum anderen Logistikzentrum zu bringen, zudem setzen wir verstärkt auf den See- und Wasserweg. Und auch hier hilft uns Technologie: verschiedene Algorithmen helfen uns, um Routen effizienter zu planen.

Amazon setzt aber auch auf die Luftfracht. Was tut sich hier?

Luftfracht ist ein integraler Bestandteil unserer Wertschöpfungskette – vor allem da, wo wir unsere Kundinnen und Kunden über den Landtransport nicht zügig erreichen können. Also schauen wir, wie wir auch hier CO2-Emissionen senken können, und das geht nicht zuletzt über die Treibstoffe. Wir investieren deshalb in Treibstoffe, die aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden und weniger CO2-Emissionen verursachen. Und weil Luftfracht eben nicht nur in der Luft Emissionen verursachen kann, verwenden wir bei der Abfertigung modernste elektrisch angetriebene Geräte, um die Fracht an und wieder von Bord zu bringen.

Und bei der Seefracht?

Weil wir keine eigenen Frachtschiffe besitzen, aber die Seefracht für uns sehr wichtig ist, haben wir 2017 die „Sustainable Fuel Buyers‘ Principles“ unterzeichnet. Damit engagieren wir uns mit anderen Unternehmen für einen beschleunigten Übergang zu kohlenstoffarmen Transportlösungen. Unsere Ziele sind hierbei, den Markt für nachhaltigere Kraftstoffe zu stärken sowie den Klimaeinfluss von Kraftstoffen von der Gewinnung bis zur Verbrennung über den gesamten Lebenszyklus messbar zu verbessern. Dabei arbeiten wir eng mit den anderen Unterzeichnern zusammen, um die Prinzipien bestmöglich umzusetzen. Zudem ist Amazon Mitglied einer neuen, vom Aspen Institute initiierten Initiative von Logistikunternehmen. Die Unternehmen haben sich verpflichtet, ihre gesamte Seefracht bis 2040 schrittweise auf Schiffe umzustellen, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden.

Nachhaltigkeit ist ja nicht nur grün. Wie wichtig sind soziale Faktoren für Amazon?

Die spielen eine wichtige Rolle, ganz klar! Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen, die unsere Wertschöpfungskette direkt oder indirekt unterstützen, mit Würde und Respekt behandelt werden. Das gilt von den Mitarbeitenden in unseren Logistikzentren über die Fahrerinnen und Fahrer, die Pakete an unsere Kundinnen und Kunden ausliefern, bis hin zu den Mitarbeitenden bei Unternehmen, die Produkte fertigen.

Welche konkreten Ziele haben Sie hier?

Unsere Ambition ist, für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beste Arbeitgeber zu sein. Wir glauben an faire Löhne und gute Extras. In Deutschland zahlen wir in der Logistik einen Einstiegslohn von umgerechnet 14 Euro brutto die Stunde und aufwärts. Wir bieten ein kostenloses Deutschlandticket für alle direkt beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allen deutschen Standorten. Gute Arbeit ist aber nicht nur eine Frage des Lohns, sondern auch des menschlichen Miteinanders, des gegenseitigen Respekts. Dazu gehören Chancen zu lernen und aufzusteigen, und die bieten wir reichlich.

Amazon setzt in vielen Bereichen der Nachhaltigkeit auf Allianzen. Warum?

Gemeinsam können wir mehr positiven Einfluss nehmen. Aus diesem Grund haben wir etwa im Dezember 2022 die Sustainable Freight Buyers Alliance (SFBA) mitbegründet, eine Gruppe in der sich neben Amazon etwa die DHL Group, Henkel, Kuehne+Nagel, Aldi und DB Schenker für die Dekarbonisierung des Güterverkehrs einsetzen. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Nachfrage nach batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen für mittlere und schwere Nutzfahrzeuge und die Ladeinfrastruktur zu erhöhen und Modelle für die Elektrifizierung von Flotten abzustimmen. Außerdem wollen wir andere Auftraggeber zu mehr Verantwortung ermutigen, ihre Transportemissionen zu verringern. Deswegen haben wir mit CHALET kürzlich auch eine Open-Source-Technologie vorgestellt, die bei der Identifizierung geeigneter Standorte für elektrische Ladestationen für schwere Nutzfahrzeuge auf Basis der Tourenprofile unterstützt. Ein anderes Beispiel ist ZEMBA, die Zero Emission Maritime Buyers Alliance, die wir zusammen mit Tchibo, Patagonia und dem Aspen Institute im März 2023 gegründet haben. Gemeinsam mit diesen Unternehmen hat Amazon sich verpflichtet, seine gesamte Seefracht bis 2040 schrittweise auf Schiffe umzustellen, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Im September 2023 hat die Allianz eine Ausschreibung für 600.000 Zwanzig-Fuß-Container für Frachtschitte veröffentlicht, die mit emissionsfreien Kraftstoffen betrieben werden. Mit dieser Ausschreibung wird ZEMBA seinen Mitgliedsunternehmen helfen, fast 1 Million Tonnen CO2-Emissionen zu reduzieren, was der Einsparung von 215.000 PKW entspricht.

Wie kann die Politik die Transformation beschleunigen? Erwarten Sie von dort mehr Unterstützung?

Um bis 2040 CO2-neutral zu werden, müssen wir umfangreich und langfristig investieren – und genau das tun wir auch. Damit die Logistikbranche emissionsfreie Lkw in vollem Umfang nutzen kann, erwarten die Flottenbetreiber jedoch, dass die Technologie neben gleichen Betriebskosten auch die gleiche Flexibilität und Verfügbarkeit wie fossile Alternativen bietet, sodass Unternehmen effektiv arbeiten können. Flottenbetreiber müssen in der Lage sein, Fahrpläne und Routen nahtlos zu planen und sie gleichzeitig kosteneffizient, aber dennoch ehrgeizig und fortschrittlich zu dekarbonisieren. Deswegen müssen wir uns darauf verlassen können, dass emissionsfreie Fahrzeuge im gesamten EU-Binnenmarkt einsetzbar sind und die Ladeinfrastruktur umfassend zur Verfügung steht. Mit ehrgeizigen Zielen und einem förderlichen Rechtsrahmen kann die Politik ihren Teil dazu beitragen, emissionsfreie schwere Nutzfahrzeuge in großem Umfang auf dem Markt verfügbar zu machen. Ganz konkret: Das derzeitige EU-Ziel ist, dass bis 2030 die in dem Jahr zugelassenen Lkw durchschnittlich 30 % weniger Emissionen ausstoßen als solche, die 2019 zugelassen wurden. Wir sind der Meinung, dass dieses Ziel auf mindestens 50 % erhöht werden sollte, um Innovationen im Straßengüterverkehr zu fördern.

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  • Andreas Marschner kam 2017 zu Amazon und hat die Logistik auf der mittleren Meile von Amazon in ganz Europa aufgebaut, die die Fulfillment Center von Amazon mit der Auslieferung auf der letzten Meile verbinden. Bevor er zu Amazon kam, war Marschner 10 Jahre bei Deutsche Post DHL und mehr als fünf Jahre als Berater bei McKinsey & Company und der International Finance Corporation (Weltbankgruppe) tätig.

    Andreas Marschner kam 2017 zu Amazon und hat die Logistik auf der mittleren Meile von Amazon in ganz Europa aufgebaut, die die Fulfillment Center von Amazon mit der Auslieferung auf der letzten Meile verbinden. Bevor er zu Amazon kam, war Marschner 10 Jahre bei Deutsche Post DHL und mehr als fünf Jahre als Berater bei McKinsey & Company und der International Finance Corporation (Weltbankgruppe) tätig.

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