Amazon hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 weltweit 100.000 E-Fahrzeuge in den Betrieb zu integrieren.

Bild: Amazon

„Wir investieren mehr als 1 Milliarde Euro in die Elektrifizierung unseres europäischen Transportnetzes“

28.11.2023

Andreas Marschner ist bei Amazon als „Vice President Amazon Transportation Services Europe and Worldwide Operations Sustainability“ für die Nachhaltigkeit der weltweiten Konzernlogistik verantwortlich. Im ersten Teil des Interviews spricht er über die ehrgeizigen Ziele des Konzerns und die Herausforderungen bei der Umstellung auf einen CO2-neutralen Betrieb.

DVZ: Herr Marschner, Amazon will bis 2040 in allen Geschäftsbereichen CO2-neutral arbeiten. Wo steht der Konzern heute?

Andreas Marschner: Im letzten Jahr sind unsere Gesamtemissionen gesunken – bei einem Geschäftswachstum von 9 Prozent. Wir sind auf einem guten Weg – aber noch nicht am Ziel. Klar ist für uns: Der Klimawandel ist ein ernstes Problem und wir müssen jetzt handeln. Daher haben wir die Klimainitiative „Climate Pledge“ mitgegründet, die mittlerweile von über 440 Unternehmen aus aller Welt unterstützt wird. Das Ziel ist es, die Vorgaben aus dem Pariser Klimaabkommen zehn Jahre früher zu erfüllen: 2040 wollen wir CO2-neutral arbeiten.

​In welchen Bereichen sehen Sie Amazon bereits auf einem guten Weg?
Wir decken heute 90 Prozent unseres Strombedarfs über erneuerbare Quellen ab, somit sind wir bereits der größte private Abnehmer weltweit. In zwei Jahren wollen wir unseren kompletten Strombedarf aus Erneuerbaren decken. Außerdem wollen wir unseren Kundinnen und Kunden dabei helfen, nachhaltiger einzukaufen. Dafür sind heute schon mehr als 550.000 Produkte – von Lebensmitteln bis zu Elektronik – mit dem Siegel gekennzeichnet.

Was sagt das „Climate Pledge Friendly“-Siegel konkret aus?

Es identifiziert Artikel, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen strenge Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Zum Programm gehören mehr als 50 Zertifizierungen, beispielsweise der Blaue Engel, das EU Ecolabel oder das Green Seal.

Wo sehen Sie aktuell noch den größten Handlungsbedarf in ihrem Unternehmen?

Für ein so großes Unternehmen wie Amazon ist die Umstellung auf einen CO2-neutralen Betrieb eine komplexe Aufgabe, vor allem weil klimaneutrale Lösungen noch nicht überall zur Verfügung stehen. Im Transportbereich tun wir etwa alles dafür, unser gesamtes Netzwerk zu dekarbonisieren. Sicher eines der anspruchsvollsten Ziele unseres Unternehmens, aber ich finde auch eines der spannendsten, denn hier gibt es großes Potenzial. Deshalb investieren wir in den nächsten Jahren mehr als 1 Milliarde Euro in die Elektrifizierung unseres europäischen Transportnetzes. Schon heute gilt: Niemand bestellt so viele elektrische Lieferfahrzeuge wie wir und nur wenige bringen so viele elektrische Lkw auf die Straße wie wir.

Welche einzelnen Maßnahmen konnten in jüngerer Vergangenheit bereits für eine relevante Emissionsreduzierung bei Amazon sorgen?

Ein aktuelles Beispiel – Anfang September haben wir eine Vereinbarung mit Maersk angekündigt, die den Transport von 20.000 FEU (Forty Equipment Unit) mit zertifiziertem, emissionsarmem Treibstoff im Rahmen von Maersks „ECO Delivery“-Lösung umfasst. Maersk schätzt, damit 44.600 Tonnen CO2-Emissionen im Vergleich zu konventionellem Schiffstreibstoff einzusparen.

Und darüber hinaus?

Wir nutzen im gesamten Unternehmen Energie effizienter und investieren gleichzeitig weiter in erneuerbare Energien und elektrische Lieferfahrzeuge. Dazu kommen immer kleinere und leichtere Verpackungen, die weniger Platz in den Transportfahrzeugen beanspruchen und damit auch Emissionen senken. Seit 2015 haben wir das Gewicht der Versandverpackungen pro Sendung im Schnitt nahezu halbiert, und wir verwenden in Europa nur noch leicht recyclebares Material. Immer öfter lassen wir die Zusatzverpackungen auch ganz weg und versenden Produkte im Originalkarton. Insgesamt können wir feststellen, dass 2022 unsere absoluten Kohlenstoffemissionen gesunken sind, während unser Nettoumsatz im Jahresvergleich gestiegen ist.

Seit wann werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen schon in der Amazon-Logistik umgesetzt?

Den Climate Pledge haben wir 2019 ins Leben gerufen, aber wir haben auch schon vorher, in den 25 Jahren unserer Präsenz in Deutschland, darauf geachtet, Ressourcen bewusst einzusetzen. Durch das klare Ziel, das mit dem Pledge einhergeht, hat sich aber jetzt das Tempo nochmal deutlich erhöht. Übrigens spart Online-Shopping im Vergleich zum stationären Einkauf bereits jetzt nicht nur Zeit, sondern auch gut die Hälfte der CO2-Emissionen, wie unter anderem eine Studie von Oliver Wyman und Logistic Advisory Experts (LAE), einem Spin-off des Instituts für Supply Chain Management an der Universität St. Gallen, gezeigt hat. Ein Lieferfahrzeug ersetzt hier viele einzelne, weil es Bestellungen bündelt und somit den Verkehr reduziert – wenn Kundinnen und Kunden ihr Fahrzeug stehen lassen können.

Bis zum Jahr 2030 sollen 100.000 Rivian E-Fahrzeuge für Amazon auf den Straßen unterwegs sein. Wie viele sind es heute?

Im Sommer 2022 sind die ersten eVans von Rivian in den USA auf die Straße gekommen, dort sind bereits mehr als 10.000 Fahrzeuge auf der „letzten Meile“ unterwegs. In Deutschland hatten wir dieses Jahr den Startschuss und jetzt kommen die ersten 300 elektrischen Lieferfahrzeuge von Rivian zum Einsatz. Insgesamt haben wir über 1.000 elektrisch betriebene Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen.

Und wie geht es weiter?

Wir wollen in den kommenden Jahren mehr als 1.500 elektrische Lkw für unser europäisches Transportnetzwerk anschaffen, davon mehr als 500 in Deutschland. Letztes Jahr haben wir hier die ersten elektrischen Lkw in Betrieb genommen. Hierfür werden wir an unseren Standorten hunderte von Schnellladestationen einrichten, mit denen die Fahrzeuge in etwa zwei Stunden aufgeladen werden können.

Ist das Ziel „100.000 E-Fahrzeuge bis 2030“ noch realistisch?

Das ist und bleibt unser Ziel. Schon im letzten Jahr haben wir mehr als 120 Millionen Pakete mit nachhaltigeren Transportmitteln in ganz Europa ausgeliefert, in Deutschland mehr als 45 Millionen. Damit werden jährlich Millionen von Tonnen CO2 eingespart.

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  • Andreas Marschner kam 2017 zu Amazon und hat die Logistik auf der mittleren Meile von Amazon in ganz Europa aufgebaut, die die Fulfillment Center von Amazon mit der Auslieferung auf der letzten Meile verbinden. Bevor er zu Amazon kam, war Marschner 10 Jahre bei Deutsche Post DHL und mehr als fünf Jahre als Berater bei McKinsey & Company und der International Finance Corporation (Weltbankgruppe) tätig.

    Andreas Marschner kam 2017 zu Amazon und hat die Logistik auf der mittleren Meile von Amazon in ganz Europa aufgebaut, die die Fulfillment Center von Amazon mit der Auslieferung auf der letzten Meile verbinden. Bevor er zu Amazon kam, war Marschner 10 Jahre bei Deutsche Post DHL und mehr als fünf Jahre als Berater bei McKinsey & Company und der International Finance Corporation (Weltbankgruppe) tätig.

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