Inhaltlich befassen sich die Berichte nach der CSRD mit den Themen der etablierten Nachhaltigkeitssystematik ESG (Environmental, Social and Governance).

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EU-Richtlinie macht Nachhaltigkeit zur Pflicht

18.01.2024

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive erweitert die EU die inhaltlichen Vorgaben für Rechenschaftsberichte. Erste Firmen müssen seit diesem Jahr die dafür erforderlichen Daten erfassen.

Neue Gesetze kommen oft zum Jahreswechsel. Die Bestimmungen der vergangenes Jahr in Kraft getretenen europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) greifen seit dem 1. Januar, zum deutschen Gesetz müssen sie aber erst bis Anfang Juli werden. Dann bedeuten sie einen Neuanfang des Berichtswesens für Unternehmen, denn der Nachhaltigkeitsbericht wird für viele Firmen zum verpflichtenden Bestandteil ihres Lageberichts.

Die CSRD ist ein wesentlicher Baustein des European Green Deal, der den Kontinent bis zum Jahr 2050 CO2-neutral machen soll. Damit wollen die EU-Gesetzgeber nachhaltiges Wirtschaften zum Wohle von Klima, Umwelt, Mitarbeitern und Ressourcen unterstützen. Flankiert wird die CSRD insbesondere von der Taxonomie-Verordnung, die Finanzflüsse in klimafreundliche Investitionen lenken soll, und der voraussichtlich im kommenden Jahr in Kraft tretenden EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) für Umweltschutz und gute Arbeitsbedingungen.

Nachhaltigkeitsmanagement gefragt

Die Vorgaben des neuen Berichtswesens gehen deutlich über die bisherige rein finanzielle Betrachtung von Unternehmen hinaus. Neben Strategie und Geschäftsmodell sollen diese einen Bewertungsprozess entwickeln, der sie zum Nachhaltigkeitsmanagement befähigt. Dazu zählt es, Nachhaltigkeitsziele zu definieren, Wege zu planen, wie diese erreicht werden, und Fortschritte auf diesen Wegen sowohl zu erfassen als auch für Investoren, Kunden und Lieferanten transparent zu machen.

Damit sollen Firmen ihre Sorgfaltspflichten sowohl bei Umweltschutz als auch im sozialen Bereich permanent aktiv überwachen. Dementsprechend sieht die Richtlinie auch vor, dass die Berichte anhand von der EU-Kommission definierter Standards analog der heutigen Finanzreports durch externe Experten geprüft werden. Ab dem Jahr 2028 sollen Wirtschaftsprüfer auch die hinreichende Genauigkeit der vorgelegten Ergebnisse bestätigen.

Für viele geht es 2025 los

Die Nachhaltigkeitsrichtlinie ergänzt oder ersetzt die seit 2017 für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von 40 Millionen Euro oder einer Gesamtbilanz von 20 Millionen Euro geltenden nicht finanziellen Berichtspflichten der NFRD (Non Financial Reporting Directive). Für diese Unternehmen gelten die neuen Vorgaben nahtlos weiter; sie müssen im Jahresverlauf ihren Bericht erstellen.

Ab 2025 fallen auch bilanzrechtlich große Unternehmen mit 250 Mitarbeitern, Umsatzerlösen von 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro unter die Richtlinie; zum Geschäftsjahr 2026 kommen kapitalmarktorientierte Mittelständler hinzu, denen die CSRD die Möglichkeit einräumt, ihren ersten Bericht erst 2028 abzugeben. Von den ungefähr 23 Millionen Firmen in der EU sind dann rund 49.000 Unternehmen berichtspflichtig, in Deutschland werden es etwa 15.000 sein.

Mit den Berichten werden neue EU-Vorgaben verbindlich: Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) definierten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sollen eine verlässliche und vergleichbare Grundlage schaffen. Sie stellen nicht nur die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit der Finanzberichterstattung gleich. Mit ihnen hält auch das maschinenlesbare elektronische Berichtsformat ESEF (European Single Electric Format) als verbindlicher Datenstandard für die Berichte Einzug. Das modular aufgebaute System orientiert sich am International Sustainability Standards Board der IFRS-Stiftung (International Financial Reporting Standards), die internationale Vergleichbarkeit schaffen will.

ESG in 1.200 Datenpunkten

Inhaltlich befassen sich die Berichte nach der CSRD mit den Themen der etablierten Nachhaltigkeitssystematik ESG (Environmental, Social and Governance). Innerhalb der drei Bereiche erarbeitet die EFRAG Vorgaben mit Standardwerten, die aus dem Geschäftsbetrieb der Unternehmen erfasst werden. Der seit Juli 2023 vorliegende Berichtssatz ESRS enthält rund 1.200 Datenpunkte, die ein Unternehmen entlang seiner Wertschöpfungskette erfassen muss, sowohl bei Lieferanten und Dienstleistern als auch bei Kunden, Konsumenten und in der Entsorgung.

Die Vielzahl der zu sammelnden Informationen soll die Datenqualität verbessern, Transparenz schaffen und durch das einheitliche Format auch bewirken, dass sich Unternehmen besser vergleichen lassen. Die Datensets ESRS 1 und ESRS 2 schreiben übergreifend die Inhalte der bisherigen Lageberichte für alle Unternehmen fort.

Die weiteren Betrachtungsfelder, mit denen sich Betriebe befassen sollen, werden anhand der doppelten Wesentlichkeitsbetrachtung (Double Materiality) ausgewählt. Diese bewertet einerseits, wie sich das eigene Wirtschaften auf Menschen und Umwelt auswirkt, und berücksichtigt darüber hinaus umgekehrt, wie diese das Unternehmen beeinflussen.

Neue Sozialberichte über Lkw-Fahrer

Dabei sind auch sektorbezogene Berichtsmodule vorgesehen, die Spezifika des Geschäftsmodells bewerten und behandeln. Für den Straßentransport gibt es dabei eine eigene Vorlage, zu der das Format ESRS S2 gehört, das sich auch damit beschäftigt, wie sich der Betrieb auf die sozialen Belange sämtlicher Arbeitnehmer entlang der Wertschöpfungskette auswirkt. Konkret zählen dazu auch die Lkw-Fahrer von Transportunternehmen, deren Arbeitsbedingungen betrachtet werden.

Das Beispiel zeigt, dass die Reichweite der Berichterstattung mit der CSRD deutlich zunimmt: Während die üblichen Lageberichte ausschließlich das eigene Geschäft abbilden, verpflichten die ESRS insbesondere dazu, die Nachhaltigkeitsrisiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette einzubeziehen. Das schließt die 17 Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung ein, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen.

Damit der Aufwand für das CSRD-Reporting in kleineren Unternehmen nicht zu groß wird, entwickelt die EFRAG das ESRS-System für sie auch mit weniger komplexen Prüfpunkten. Darüber hinaus wird es einen abgespeckten Standard für Unternehmen geben, die der CSRD nicht unterliegen. Er soll ihnen dabei helfen, die Vorgaben größerer Auftraggeber zu erfüllen und ihnen Daten für deren eigene Berichte bereitzustellen.

Risiken und Sorgfaltspflichten

Für Unternehmen, die der CSRD nicht unterliegen, wird derzeit die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) vorbereitet, die Risiken und Sorgfaltspflichten bei Einkauf und Transport umfasst. Diese europäische Direktive ist dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) übergeordnet und weitet dessen Gültigkeitsbereich auf Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Euro Jahresumsatz aus.

Darüber hinaus verpflichtet die CSDDD die Firmen dazu, ihre Geschäfte an den Klimazielen der EU auszurichten, die klimaneutrales Wirtschaften bis zum Jahr 2050 vorsehen, um das im Pariser Abkommen vereinbarte Erwärmungsziel von maximal 1,5 Grad erreichen zu können. Die EU-weite Regelung sieht – anders als das deutsche Gesetz – zusätzlich vor, dass Unternehmen für ihre Sorgfaltspflichten zivilrechtlich haften.

Wirtschaftsprüfer loben

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland sieht in den neuen Berichtsvorgaben eine sinnvolle Erweiterung unternehmerischer Steuerungssysteme. Mit der Richtlinie seien neue Chancen verbunden, die den hohen Aufwand bei der Implementierung überwiegen können. „Wer die CSRD nicht als reines Compliance-Thema behandelt, schafft Mehrwerte für sein Unternehmen“, betont PwC-Nachhaltigkeitsexperte Hendrik Fink.

Die Unternehmen stärken durch die ganzheitliche Betrachtung ihre Wettbewerbsposition. „Sie kennen die Erwartungen ihrer Kunden genauer, verbessern ihre Resilienz und steigern ihre Attraktivität als Geschäftspartner und Arbeitgeber“, unterstreicht der Wirtschaftsprüfer. Zudem habe die Richtlinie schon jetzt dafür gesorgt, dass sich insbesondere große Unternehmen stärker mit den Auswirkungen ihres Geschäftsmodells befassen. Sie sammelten deutlich mehr Informationen und agierten analytischer.

Die CSRD belaste die Logistik nicht stärker als andere Wirtschaftsbereiche, der Berichtsaufwand sei vergleichbar. „Logistikdienstleistern stehen aber vergleichsweise geringe Stellhebel zur Verfügung – sie können meist lediglich die neuesten und ressourcenschonendsten Technologien verwenden“, ordnet Fink ein. Aus seiner Sicht müssen die Hersteller nachhaltiger Kraftstoffe und Antriebstechnologien die Hauptlast der Verantwortung tragen, wenn es um emissionsärmere Transporte geht.

„Die CSRD ist der richtige Schritt, um die Unternehmensführung ganzheitlich zu gestalten.“

– Gunnar Heunisch, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Zufall Logistics Group

Mittelstand befürchtet Mehraufwand

Für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) steht der ehebliche Mehraufwand im Vordergrund, den der Verband durch die neuen Berichtspflichten ausgemacht hat. Ähnlich wie beim LkSG erfordere die Datenerhebung für die CSRD eine gründliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen. „Wir rechnen damit, dass viele unserer Mitgliedsunternehmen mindestens eine ausgewählte Person mit dem Thema befassen und diese dafür zunächst umfangreich schulen lassen müssen“, erklärt Marie-Theres Husken, Referentin Energie, Nachhaltigkeit, Mobilität und Logistik sowie stellvertretende Leiterin der Abteilung Volkswirtschaft des BVMW.

Anders als große Konzerne müssten viele kleine und mittlere Unternehmen beim Aufbau des Berichtswesens bei null anfangen, was sie zusätzlich benachteilige. Dadurch sei absehbar, dass ihnen bei der Erstellung der Berichte Fehler passierten, die sie anschließend aufwendig korrigieren müssten.

Diese Einschätzung teilt auch Tobias Bohnhoff, Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups Shipzero, das Unternehmen bei der Analyse von Daten zur Emissionsberechnung unterstützt. „Großunternehmen beschäftigen sich in der Regel seit ein bis zwei Jahren konkret mit der CSRD“, berichtet er. Dagegen informierten sich die Kleineren jetzt in Gesprächen zunächst über ihre Aufgaben.

Jedoch wünschten sich alle Firmen Hilfe bei der sauberen Datenerfassung, um mit den Informationen geeignete Reporting-Strukturen aufbauen und die Berichterstattung in die Geschäftsprozesse integrieren zu können. Deshalb empfiehlt Bohnhoff Unternehmen, die Vorbereitungszeit von ein bis zwei Jahren vor dem ersten Berichtszeitraum zu einem Probelauf für Strukturen und Ressourcen zu nutzen. „Aktuell bestehen noch große Fragezeichen bei der genauen Interpretation einiger konkreter Berichtsstandards und -indikatoren“, ergänzt er.

„Keine unlösbaren Aufgaben“

Beim mittelständischen Dienstleister Zufall Logistics Group aus Göttingen löst die Neuregelung keine größeren Sorgen aus. „Grundsätzlich sind mit der CSRD keine neuen Themen verbunden, und wir werden auch vor keine unlösbaren Aufgaben gestellt“, betont der Nachhaltigkeitsbeauftragte Gunnar Heunisch. Ihm ist allerdings nicht hinreichend klar, mit welcher Schärfe bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse das Unternehmen einzelne Berichtsthemen ausschließen dürfe.

In der Spedition verursacht nach Heunischs Einschätzung die Messung der CO₂-Emissionen den größten Aufwand für die Berichterstellung. Dafür implementiere der Dienstleister eine spezialisierte Softwarelösung, die alle angeforderten Daten aus diesem Bereich automatisch bereitstellen könne. Deshalb erkennt der Nachhaltigkeitsbeauftragte in der Berichtspflicht keinen unzumutbaren Mehraufwand. Sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen, gehöre einfach dazu, „und dem stellen wir uns auch gern“.

Aus seiner Sicht nimmt mit der CSRD der Transparenzdruck auf alle Unternehmen zu, was beispielsweise auch dazu führen könne, dass eine Überprüfung der Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern bei sämtlichen Frachtführern möglich werde. Als Datenquellen kämen dafür etwa elektronische Frachtbriefe und Lieferscheine sowie die Mautdaten infrage. „Momentan können wir unsere Auftragnehmer am Spotmarkt lediglich vertraglich zur Einhaltung der geltenden Vorschriften verpflichten“, berichtet er. Es sei gut, wenn dieser schwache Einfluss durch die aktive Verantwortung aller Beteiligten ersetzt werde. „Die CSRD ist der richtige Schritt, um die Unternehmensführung ganzheitlich zu gestalten“, resümiert Heunisch.

Mitarbeit: Frank Hütten

Veranstaltung

Der 4. DVZ Sustainability Day findet am 17.04.2024 in Frankfurt statt. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier: www.dvz.de/sustain2024

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