Die BäckerAI wurde das erste Produkt des 2021 gegründeten Start-ups PlanerAI. Ziel des Unternehmens ist es, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. (Foto: PlanerAI GmbH)

Planungslösung: Mit KI weniger Lebensmittel verschwenden

19.03.2023

Das Start-up PlanerAI setzt für Prognosen bei Frischwaren auf künstliche Intelligenz statt Bauchgefühl. Ziel ist es, mit Hilfe datengetriebener Planung einen Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu leisten.

Im besten Fall ist beim Bäcker genau so viel vorrätig, wie nachgefragt wird. Das ist zwar angesichts der kurzen Haltbarkeit vieler Artikel utopisch. Die Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, hat sich mit seiner nationalen Strategie 2019 aber auch der Bund zum Ziel gesetzt, der hierzu regelmäßig an die EU-Kommission berichten muss. Schließlich werden in Deutschland pro Jahr rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entsorgt. Etwa 7 Prozent entfallen nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auf den Handel.

Wie anspruchsvoll dort die Sortimentsplanung ist, weiß Franz Seubert von seinem Vater, der einen Supermarkt führte. Nach einem Bachelorprogramm bei Aldi Süd beschäftigte er sich während seines Masterstudiums der Wirtschaftsinformatik an der Uni Würzburg mit künstlicher Intelligenz (KI). „Die leistungsfähigen Algorithmen, die meine Dozenten Jan Meller und Fabian Taigel im Rahmen ihrer Doktorarbeiten entwickelt haben, fand ich faszinierend.“

Meller und Taigel hatten bereits seit 2014 an Prognosesystemen geforscht und Projekte angestoßen. Das Problem: „Die Datenbeschaffung war extrem aufwendig“, sagt Seubert. Er hatte daher einen anderen Anwendungsfall im Kopf: Bäckereien. Die sogenannte BäckerAI wurde schließlich das erste Produkt des von dem Trio 2021 gegründeten Start-ups PlanerAI. Das Ziel: in den nächsten fünf Jahren die Lebensmittelverschwendung durch eine präzisere Planung zu halbieren.

Funktioniert ab etwa zehn Filialen

Um die KI einzusetzen, sollten am besten die Verkaufsdaten eines vernetzten Kassensystems aus mindestens den vergangenen zwölf Monaten zur Verfügung stehen. „Kundenseitig funktioniert das ab etwa zehn Filialen, darunter werden in den Betrieben in der Regel nicht genügend Daten erhoben“, sagt Seubert. Die Kundendaten und die Sortimentszusammensetzung werden ergänzt durch weitere Informationen wie Wetter, regionale Veranstaltungen und Werbeaktionen sowie Ferien, insgesamt etwa 150 Variablen wie Sonnenstunden, Niederschlagsmenge und Feiertage. „Statt also wie bisher bei einem Sortiment von durchschnittlich rund 50 unterschiedlichen Artikeln aufgrund von Erfahrung und Bauchgefühl zu planen, unterstützt eine KI-basierte Planungsplattform Bäckereien dabei, ihren Bedarf an Backwaren möglichst präzise zu ermitteln.“ Selbst in einer kleinen Bäckerei müssten etwa 500 Bestellentscheidungen pro Tag getroffen werden, was bei geschätzten 20 Sekunden pro Produkt fast drei Stunden Arbeit entspricht.

Wie lange es mit der KI dauert, hängt stark vom Nutzer ab. Wenn alles passt, läuft der Prozess automatisch. Die Reaktionen der Mitarbeiter auf das Tool seien unterschiedlich: „Teils sind sie zufrieden, andere wollen die Planung nicht aus der Hand geben. Es ist also immer auch ein Eingriff in ein soziotechnisches System, das einen Change-Prozess erfordert“, sagt Seubert weiter.

„Die Lösung wird auf jeden Betrieb individuell justiert, minimiert Abschriften sowie Retouren und trägt dazu bei, dass etwa 30 Prozent weniger Waren entsorgt werden müssen: Zwischen 200 und 400 Euro können so monatlich eingespart werden“, fügt er hinzu. Aber die KI sei kein Selbstläufer. „Zwar können wir einen Großteil der Bestellentscheidungen automatisieren, dennoch brauchen wir für die letzten 2 bis 5 Prozent den gesunden Menschenverstand.“ Dennoch werde am Abend immer noch Ware übrig bleiben, räumt der Jungunternehmer ein. „Ein kompletter Abverkauf ist nicht das Ziel.“

Vor allem Bäckereien, die Backshops in Supermärkten und Discountern beliefern, sind vertraglich teils dazu verpflichtet, bis kurz vor Ladenschluss noch eine hohe Warenpräsenz zu zeigen. Deshalb kommt dort oft Vendor Managed Inventory zum Einsatz. Hierbei obliegt es dem Lieferanten, die Bestandsverwaltung und die Nachschubdisposition für bestimmte Artikel beim Einzelhandel sicherzustellen. Bezogen auf das Tool bedeutet das laut Seubert: „Der Lieferant und nicht der Supermarkt entscheidet rund eine Woche vorher, wann er welche Ware liefert, und kann dadurch viel besser planen.“

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