Photovoltaik-Projekt: Die Hallen auf dem Skandinavienkai sind schon grün, demnächst produzieren ihre Dächer auch noch Strom. Derzeit laufen die Planungen für die Installation einer PV-Anlage, die bis zu 4.300 Kilowatt-Peak „grünen Strom“ erzeugen soll.

Bild: LHG

„Unser Augenmerk liegt auf der elektrischen Transformation“

30.11.2023

Der Umschlag in einem Hafen ist besonders energieintensiv. Mit einer Vielzahl von kleineren und größeren Maßnahmen arbeitet die Lübecker Hafen-Gesellschaft am „Green Port“.

Einen nachhaltigeren Mix der Verkehrsträger im Ostseeraum als am Skandinavienkai in Lübeck-Travemünde dürfte es kaum geben. Hier hat die Betreiberin, die Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG), die Seeseite, den Bahnverkehr und die eigenen Terminalflächen gleichermaßen im Fokus. Dazu gibt der Hafenentwicklungsplan 2030 den Kurs vor. Er gilt als strategischer Rahmenplan für die zukünftige Entwicklungsperspektive und definiert den Lübecker Hafen als hocheffizientes trimodales Logistikzentrum, das alle Verkehrsträger optimal und klimaverträglich miteinander verknüpft.

Neuer Anlege mit Landstrom für immer größere Schiffe

Mit Blick auf die Seeseite ermöglicht der erst kürzlich eingeweihte, komplett neu gebaute Anleger 5 auf dem Skandinavienkai das Anlegen von RoRo-Schiffen mit bis zu 250 Meter Länge und 38,5 Meter Breite. Die Schiffe aus dem Baltikum und den nordischen Ländern werden immer größer, dabei aber auch immer sparsamer beim Treibstoffverbrauch und den damit verbundenen Emissionen. Für sie gibt es jetzt mit dem neuen Anleger einen maßgeschneiderten Anlaufpunkt. „Damit setzt die Hansestadt Lübeck einen weiteren Meilenstein aus dem Hafenentwicklungsplan um, so dass wir für die neuen Schiffsklassen gerüstet sind“, sagte Bürgermeister Jan Lindenau zur Einweihung Ende September. Der neue Anleger mit seiner festen Rampe dient vor allem der Abfertigung von großen RoRo-Schiffen der Reedereien Finnlines und Wallenius Sol. Zu ihren Flaggschiffen gehören die „Finneco 3“ und die „Baltic Enabler“. Beide sind wie ihre Schwesterschiffe erst wenige Monate alt und gehören zu den längsten, aber auch umweltfreundlichsten Einheiten auf der Ostsee. So hat die italienische Klassifikationsgesellschaft der „Finneco 3“ das Zertifikat „Green Plus“ für besonders geringe Emissionen verliehen.
Zwar sind für den Antrieb noch herkömmliche Dieselmaschinen mit einem Abgasreinigungssystem an Bord. Sie arbeiten allerdings im Zweitakt-Verfahren und nicht wie auf Fähren üblich als Viertakter. Das sorgt für einen deutlich geringeren spezifischen Kraftstoffverbrauch. Ein Luftschmiersystem rund um das Unterwasserschiff verringert den Widerstand während der Fahrt. Besonderes technisches Highlight ist jedoch eine leistungsfähige Batteriebank, die für eine emissionsfreie Liegezeit im Hafen sorgt. Die Lithium-Ionen-Akkus werden während der Fahrt von den Hauptmaschinen aufgeladen, unterstützt von Solarpaneelen, die 600 Quadratmeter Decksfläche belegen. Für Schiffe, die noch keine Batteriebank an Bord haben, erhält der Anleger 5 bis zum Jahresende 2023 eine leistungsfähige Landstromanlage, die alle Fähren mit einem geeigneten Anschluss mit Strom während der Liegezeiten versorgen wird. Die Hilfsdiesel an Bord können dann schweigen.

Intermodalterminal Baltic Rail Gate wird massiv ausgebaut

Ein Großteil der mit den Fähren in Travemünde ankommenden Trailer wird im kombinierten Verkehr gleich weiter auf die Bahn gepackt – und umgekehrt, mit steigender Tendenz. Der Intermodalterminal Baltic Rail Gate (BRG) liegt direkt auf dem Skandinavienkai in Sichtweite der Anleger und soll demnächst massiv erweitert werden. Eigentümerin ist die LHG, die sich den Betrieb des Terminals mit dem Schienenlogistikdienstleister Kombiverkehr teilt. „Wir beseitigen die in Spitzenzeiten hier immer wieder aufgetretenen Kapazitätsengpässe“, erläutert LHG-Geschäftsführer Sebastian Jürgens, „und stellen uns damit im kombinierten Verkehr auf weiteres Wachstum ein.“ Die maximale Kapazität liegt seinen Angaben zufolge derzeit bei 140.000 Ladungseinheiten jährlich. „Nach dem Ausbau werden wir hier mit bis zu 240.000 Einheiten den Umschlag erheblich ausweiten können.“ Dazu werden die Gleise verlängert und ein dritter Kran installiert. Mit der BRG-Erweiterung wird die Wettbewerbsfähigkeit Lübecks als umweltfreundliche Drehscheibe für Verkehre auf der Schiene und dem Wasserweg deutlich gestärkt. „Die Nachfrage im Markt ist da“, so Jürgens. Dazu investiert die LHG 18 Millionen Euro, die zu knapp 80 Prozent aus öffentlichen Mitteln vom Eisenbahn-Bundesamt gefördert werden. Alle Aus- und Neubauarbeiten sollen im Spätsommer 2024 abgeschlossen sein.

Stapler und Tugmaster sind die größten Energieverbraucher

So sehr sich die LHG für nachhaltige Transportketten einsetzt, so sehr achtet der Hafendienstleister auch auf die Verbesserung der eigenen Umweltbilanz. „Das ist eine echte Herausforderung, denn die LHG als Hafenumschlagsbetrieb ist ein sehr energieintensives Unternehmen“, erläutert Nico Wollboldt, Energiekoordinator bei der LHG: „Die größten Energieverbraucher sind unsere dieselbetriebenen Stapler und über 100 Zugfahrzeuge, die sogenannten Tugmaster. Hinzu kommen die Flächen- und Hallenbeleuchtung.“ Bei diesen beiden Themen will Wollboldt zuerst ansetzen und die damit verbundenen CO2-Emissionen Stück für Stück reduzieren. „Dabei legen wir als Terminalbetreiber ein hohes Augenmerk auf die Transformation – und die ist bei uns elektrisch.“

Die Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG)
Die LHG ist nach eigenen Angaben Deutschlands größte RoRo-Hafenbetreiberin an der Ostsee. An ihren vier Hafenterminals werden hochfrequente Seeverkehre in den Ostseeraum angeboten, Ladeeinheiten gebündelt und zu einem großen Teil auf der Schiene mit dem Hinterland verbunden. Zu den Kunden zählen vor allem Unternehmen aus der Papier-, Stahl- und Automobilindustrie.

Gute Einsparungen konnte die LHG bereits durch die Umrüstung auf LED-Leuchtmittel erzielen, der gesamte Stromverbrauch wurde laut dem gerade vorgelegten Umweltbericht 2022 gegenüber dem Vorjahr um 5,86 Prozent reduziert. „Vorgenommen hatten wir uns fünf Prozent“, so Wollboldt nicht ohne Stolz. Für das laufende Jahr hofft er auf ähnliche Fortschritte, so zum Beispiel durch die bedarfsgerechte Steuerung der Lichtmasten am Skandinavienkai – es werden nur noch die Flächen ausgeleuchtet, auf denen auch gearbeitet wird – oder durch die neue, bereits arbeitende Photovoltaikanlage auf dem Hafenhaus in Lübeck-Travemünde.
Gerade hat die LHG mit den Stadtwerken Lübeck ein neues gemeinsames Photovoltaik-Projekt aufgelegt: Beide Partner wollen auf dem Skandinavienkai die Dächer von insgesamt drei großen Hallen mit einer PV-Anlage ausstatten.

Hallendächer auf dem Skandinavienkai mit PV-Anlage

Die ersten Baumaßnahmen laufen bereits auf dem Dach der Fährhalle mit 5000 Quadratmetern. Die Dachflächen der Logistikhalle I (25.000 Quadratmeter) und Logistikhalle II (10.000 Quadratmeter) werden folgen. Schon in naher Zukunft sollen so insgesamt bis zu 4.300 Kilowatt-Peak „grüner Strom“ erzeugt werden können. Wollboldt: „Mit dieser Anlage erfüllen wir unsere Pläne mit Leben, die Hafenanlagen in Richtung ‚Green Port‘ weiterzuentwickeln.“
Bei der Reduzierung des Dieselverbrauchs stellt sich die Situation etwas schwieriger dar. „Hier muss in naher Zukunft eine Veränderung im Antrieb stattfinden, wenn wir unsere Umweltziele erreichen wollen.“ Eine Alternative sind elektrisch betriebene Tugmaster, mit denen sich die LHG erstmals schon vor einigen Jahren befasst hat – mit zunächst enttäuschenden Ergebnissen: „Die E-Tugmaster haben einfach nicht ausreichend Leistung für die steilen Rampen auf den Schiffen gebracht“, so Wollboldt. Wie schnell sich die Technik allerdings weiterentwickelt hat, machte ein weiterer Test mit der jüngsten Elektro-Fahrzeuggeneration in diesem Frühjahr deutlich: „Die Fahrer vergaben auf ihren Fragebögen fast durchgängig gute Bewertungen.“ Der Weg zu einer uneingeschränkten Nutzbarkeit sei zwar noch lang, „aber der erkennbare Fortschritt hat uns bewogen, für Umfuhren auf dem Terminal zunächst drei E-Tugmaster anzuschaffen.“
Und auch mit dem Einsatz von Elektrogabelstaplern für Lasten von bis zu neun Tonnen, wie sie für das Handling von Papierrollen benötigt werden, befasst sich die LHG – neben einer Vielzahl von weiteren, kleinen, aber deswegen nicht weniger aufwendigen Projekten zum „Green Port“. Wollboldt betont: „Mit all diesen Maßnahmen stellen wir die LHG an der Kaikante, im Intermodalumschlag und auf dem Terminal zukunftssicher und gleichzeitig nachhaltig auf. Zu unseren Anstrengungen möchten wir im Vergleich zu einigen unserer Wettbewerber eigentlich keine großen Worte machen, sondern uns lieber um die Umsetzung kümmern. Die ist schon kompliziert genug.“

Behrend Oldenburg ist freier Journalist mit Sitz in Hamburg
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