Das Angebot an emissionsreduzierten Transportlösungen ist noch begrenzt.

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Berechnung von Emissionen im Güterverkehr: Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen?

08.05.2024

Smart Freight Centre (SFC) hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen einheitlichen Standard für die Bilanzierung von CO₂-Emissionen zu schaffen, um eine Vergleichbarkeit und Fairness auf dem Markt herzustellen.


Die exakte Berechnung von Transportemissionen ist nach wie vor eine Herausforderung für viele Unternehmen. Zwei Logistikunternehmen transportieren die gleiche Ware auf derselben Strecke. Das eine gibt einen CO₂-Ausstoß von 10 Tonnen an, das andere einen von 8 Tonnen. Kann daraus mit Gewissheit geschlossen werden, dass der eine Service niedrigere Emissionen verursacht als der andere? Oder liegt es lediglich an unterschiedlichen Berechnungsmethoden? Es fehlen klare Standards, um Vergleiche auf dem Markt möglich zu machen.

Mit dem Ziel, dies zu ändern, hat Smart Freight Centre (SFC) zusammen mit Partnern aus der Transportindustrie und Forschung im Jahr 2016 den ersten Global Logistics Emission Council (GLEC) Framework veröffentlicht. Bis 2023 diente der sogenannte GLEC Framework als erste global anerkannte Methodik zur Berechnung von Treibhausgasemissionen (THG) entlang multimodaler Lieferketten. Über 150 führende Unternehmen, darunter DHL, DB Schenker, Kühne + Nagel, DSV und Maersk befolgen den GLEC Framework. Organisationen wie Greenhouse Gas Protocol, CDP oder Science-Based Targets-Initiative empfehlen Transport Emissionen GLEC konform zu berichten. Um diese breite Anwendung zu untermauern, hat SFC sich ab 2019 daran beteiligt, den GLEC Framework in einem ISO-Standard zu fixieren. Die daraus resultierende ISO 14083 wurde im März 2023 veröffentlicht und kann, etwa durch Gesetzgeber vorgeschrieben, eine straffere Anwendung ermöglichen.

Wenngleich auch die Qualität der Daten, die für die Berechnung verwendet werden, oder Annahmen bestimmter Parameter unterschiedlich sein können, soll mit der ISO 14083 ein Fundament für einen weltweit harmonisierten Ansatz zur Emissionsreduzierung gelegt sein. Die weiteren Herausforderungen, denen sich Smart Freight Centre zusammen mit ihren Mitgliedern stellt, umfassen unter anderem die Gewährleistung der Datenqualität, den Datenaustausch entlang komplexer Transportketten und die weitere Angleichung von Emissionsberechnungsmethoden und -ansätzen, wie Kathrin Schuller, Head of Methods, Standards & Assurance bei SFC, erklärt.

Umgang mit „Greenwashing“ und Spielregeln für Book&Claim-Angebote

Es gibt kaum Regularien, die festlegen, wie man „grüne“ Logistiklösungen kennzeichnen darf. Wann ist etwas zu positiv dargestellt? Für Versender und Einkäufer von Transportdienstleistungen ist es daher oft schwer zu erkennen, welche Unternehmen wirklich ambitioniert sind und welche mehr Augenwischerei betreiben. Der GLEC Framework und die ISO-Norm sollen eine Vergleichsbasis für die Bemessung von Emissionen, die direkt im Güterverkehr entstehen, schaffen und schließen beispielsweise grundsätzlich Kompensationsmaßnahmen aus, so Schuller.

Das Angebot an emissionsreduzierten Transportlösungen ist noch begrenzt, und nachhaltigere Kraftstoffe und Technologien stehen nicht in großen Mengen zur Verfügung. Eine Lösung, um sogenannte „Low Emission Transport Services“ (LETS) anzubieten, ist unter dem Namen „Insetting“ oder „Book & Claim“ bekannt. Dabei wird das Emissionsprofil eines emissionsärmeren Kraftstoffes unabhängig vom tatsächlichen Einsatzort gehandelt. Wer also bereit ist, eine Prämie für nachhaltigeren Transport zu bezahlen, kann die Reduktion in Anspruch nehmen, ohne dass die eigenen Waren mit diesem Kraftstoff tatsächlich transportiert werden: Dieser kommt in einer anderen Lieferkette zum Einsatz. Da es zu einer tatsächlichen Emissionsreduktion durch den Ersatz fossiler Kraftstoffe durch emissionsärmere Alternativen im Güterverkehr kommt, sei der Book & Claim-Ansatz laut Schuller nicht mit Kompensation gleichzusetzen.

„Durch Book & Claim wird gleichzeitig dazu beigetragen, alternative Technologien zu fördern und deren Angebot und Verfügbarkeit zu erweitern sowie langfristig kosteneffizienter zu machen“, meint Schuller. Gewisse Grundprinzipien müssten dabei aber eingehalten werden, um beispielsweise doppelte Berichterstattung zu verhindern, und dazu brauche es Regeln.

Smart Freight Centre

Das Smart Freight Centre (SFC) ist eine weltweit tätige Non-Profit-Organisation für Klimaschutz im Güterverkehrssektor. SFC gründete 2014 das Global Logistics Emission Council (GLEC), um einen einheitlichen, international anerkannten Bilanzierungsrahmen für CO₂-Emissionen in der Lieferkette für alle Verkehrsträger zu schaffen. Die vereinheitlichte GLEC- Methodik zur CO₂-Bilanzierung ist nun in der ISO 14083 verankert.

In den vergangenen Jahren hat Smart Freight Centre weitere Mitgliederprogramme entwickelt, darunter die Sustainable Freight Buyers Alliance und die modalen Communities, zu denen Clean Cargo für den Seeverkehr und Clean Air Transport für den Luftverkehr gehören. In diesen Communities arbeiten die verschiedenen Akteure entlang der Lieferkette zusammen, tauschen sich über Technologielösungen der Dekarbonisierung aus oder beteiligen sich an kollaborativen Projekten im nachhaltigen Frachteinkauf.

Diese Book & Claim-Spielregeln hat Smart Freight Centre im sogenannten „Voluntary Market Based Measures Framework for Logistics Emissions Accounting and Reporting“, kurz MBM Framework, festgelegt. Der MBM Framework basiert dabei auf dem GLEC Framework und legt fest, wie Unternehmen solche Investitionen in emissionsarme Transportlösungen in ihrem Nachhaltigkeitsbericht ausweisen können. SFC verfolgt zusammen mit einer großen Book & Claim-Community das Ziel, dass auch Organisationen wie GHP Protocol und Science Based Targets Initiative unter Einhaltung dieser definierten Regeln eine Emissionsreduzierung mit einem Book & Claim-Ansatz erlauben.

„Solange Transportunternehmen und Versender Book & Claim-Maßnahmen nicht zu ihren Klimazielen anrechnen können, halten sich viele entsprechend mit Investitionen in diesem Bereich zurück. Darin sehen wir das Risiko, dass durch fehlende Investitionen diese Angebote nicht schnell genug ausgeweitet werden können, was eine Klimazielerreichung mindestens massiv erschwert, wenn nicht gar verhindert. Insbesondere sollten Versender, die bereit sind, Mehrkosten für nachhaltigere Transportdienstleistungen zu zahlen, nicht davon eingeschränkt werden, wo und wie diese Alternativen zur Verfügung stehen. Das ist eine Marktbremse, die wir nicht wollen“, betont Schuller.

Wie können Unternehmen sicher sein, dass sie diese Spielregeln befolgen?

Eine unabhängige Prüfung der Treibhausgasberechnungen durch Audit- und Prüfungsgesellschaften kann für mehr Verlässlichkeit und auch für mehr Vertrauen und Transparenz seitens der Kunden oder Investoren sorgen. SFC hat für diesen Zweck ein Bewertungssystem entwickelt, welches auf ISO 14083 basiert und das Prüfungsgesellschaften nutzen können, um Emissionsberichterstattung unabhängig zu überprüfen. „Wir arbeiten mit Prüfungsgesellschaften zusammen und bilden Prüfer in der ISO 14083 aus. Die Anforderungen zur Offenlegung von Treibhausgasemissionen steigen rapide, wobei die Glaubwürdigkeit zentral ist. Durch unabhängige Prüfungen können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Berichte vertrauenswürdig sind“, erklärt Schuller.

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