Die Schifffahrt ist aus Sicht vieler Verlader noch zu weit entfernt von einem emissionsfreien Transport.

Bild: Aufwind-Luftbilder/Weitzel

Mission emissionsfreie Seefracht

15.06.2023

Gemeinsam wollen große Verlader die Dekarbonisierung in der Schifffahrt vorantreiben und haben sich dafür zusammengeschlossen. Einige von ihnen haben kürzlich zusätzlich eine maritime Käuferallianz gegründet.

Ansätze, den im- und exportierenden Unternehmen mehr Einfluss auf die Treibstoffwahl der Reederei zu verschaffen, gibt es bei den Logistikdienstleistern schon seit einigen Jahren. So startete etwa DHL Global Forwarding 2011 das Programm „Go Green“, um Transporte nachhaltiger zu gestalten. Im Februar dieses Jahres wurde der Service „Go Green Plus“ eingeführt. Mit seiner Onlinelösung „Sea Explorer“ verschafft Kühne + Nagel seinen Kunden bereits seit 2018 die vollständige Transparenz über die CO2-Emissionen eines Schiffs von Hafen zu Hafen. Anfang 2024 soll diese nach Unternehmensangaben um erste Inlandsverbindungen ergänzt werden.

Investitionen beschleunigen

Trotz dieser und weiterer Ansätze ist die Schifffahrt aus Sicht vieler Verlader jedoch insgesamt noch zu weit entfernt von einem emissionsfreien Transport. Um die dafür erforderliche Forschung und Investitionen in die Infrastruktur schneller voranzutreiben, haben sich daher große international tätige Unternehmen wie Amazon, Brooks Running, Frog Bikes, Ikea, Inditex, Michelin, Patagonia, Tchibo und Unilever zur Initiative Cozev (Cargo Owners for Zero Emission Vessels) zusammengeschlossen.

Das von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation Aspen Institute geleitete kooperative Netzwerk besteht bereits seit Oktober 2021. Die Ziele: die Dekarbonisierung der Seefracht bis 2040, die vollständige Dekarbonisierung des maritimen Sektors bis 2050 sowie die Aufforderung an die Partner entlang der Lieferkette und an die politischen Entscheidungsträger weltweit, schnelle und ambitionierte Maßnahmen zu ergreifen, um emissionsfreie Schifffahrtslösungen in großem Maßstab einzuführen.

Signal in die Branche setzen

Bei Tchibo sind die CO2-Emissionen maßgeblich von der Schifffahrt beeinflusst: Mehr als 90 Prozent der eingekauften Non-Food-Artikel und des Rohkaffees werden mit dem Containerschiff nach Deutschland transportiert. Der Hamburger Konzern setzt daher auf den Zusammenschluss mit anderen globalen Verladern, um eine Transformation in Richtung emissionsfreiem Seeverkehr voranzutreiben und zählt daher zu den Mitgründern. „Cozev vereint die Stimmen vieler Verlader, wodurch das Signal in die Branche lauter wird“, unterstreicht Sina-Maria Schoenlein, Projektmanagerin Logistik und Nachhaltigkeit bei Tchibo.

„Die Dekarbonisierung unseres Transportnetzes ist ein wichtiger Bestandteil unserer Verpflichtung, bis 2040 CO2-neutral in allen Geschäftsbereichen zu arbeiten“, begründet ein Amazon-Sprecher die Beteiligung an der Initiative. Dafür seien Kooperationen und Partnerschaften notwendig. „Durch Cozev kann Amazon mit anderen zusammenarbeiten, um kohlenstofffreie Schifffahrtskorridore zu schaffen und die Investitionskapazität einiger der innovativsten Unternehmen und Organisationen der Welt zu nutzen.“

Seit August 2022 ist auch der Hamburger Konsumgüterkonzern Beiersdorf dabei. „Wir haben uns an der Initiative beteiligt, weil wir ambitionierte Nachhaltigkeitsziele haben“, sagt Sustainability Managerin Claudia Lemke, die das Thema bei Beiersdorf betreut hat. „Auch wenn die Schifffahrt nicht den Großteil unserer Emissionen ausmacht, haben wir uns dazu entschieden, in diesem Bereich bis 2040 emissionsfrei zu werden.“

Die Reedereien müssten weiter in die Forschung gehen und die Null-Emissionstechnik vorantreiben: „Wir wollen vor dem Markt sein, und nicht darauf warten, bis Lösungen entwickelt sind“, sagt Lemke weiter. „Und um unsere Nachhaltigkeitsziele erreichen zu können, brauchen wir Partner in der Lieferkette. Seit 2021 kaufen wir beispielsweise Biotreibstoffe und konnten dadurch circa 10.000 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr einsparen.“ Die Energieträger der künftigen Schifffahrt seien jedoch synthetische Treibstoffe. „Wichtig sind hier Pilotprojekte außerhalb der zweiten Generation von Bio-Treibstoffen“, fügt Lemke hinzu.

Nächster Schritt: Zemba

Anlässlich der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh im November 2022 verabschiedete die Initiative ihre Zwischenziele 2040. Dazu zählen die Unterstützung von Gemeinschaftsprojekten, die den jetzt dringenden Handlungsbedarf widerspiegeln, das Tracken der im Seeverkehr verursachten Emissionen der Mitglieder, die Gewinnung weiterer Verlader für die Initiative und das Zusammenbringen der kollektiven Frachtnachfrage, um den Übergang zur kohlenstofffreien Seeschifffahrt zu beschleunigen, und die schnellere Dekarbonisierung der ersten transozeanischen Handelsrouten.

Die Gründung von Zemba (Zero Emission Maritime Buyers Alliance) durch Amazon, Tchibo und den Sportartikelhersteller Patagonia ist wohl der wichtigste Bestandteil der Roadmap. Die Käuferallianz will Unternehmen, die auf den Seeverkehr angewiesen sind, in die Lage versetzen, die kommerzielle Einführung von emissionsfreien Schiffskraftstoffen und -technologien zu beschleunigen, Größenvorteile zu nutzen und die Emissionen im Seeverkehr schneller zu reduzieren, als es ein einzelnes Unternehmen könnte. Ziel ist es, eine verbindliche Nachfrage nach neuen Kraftstoffen und Technologien zu schaffen, die für den entstehenden Markt für umweltfreundliche Schifffahrt erforderlich sind.

Dazu setzt man auf das Prinzip des Carbon-Insettings, bei dem im Unterschied zum Offsetting, also der Kompensation von Emissionen, die Reduktion in der eigenen Lieferkette erfolgt. Dabei wird jedoch der tatsächliche Transport der Container entkoppelt von der Emissionsreduktion. Das Prinzip gibt es zwar schon länger, beispielsweise bei grünem Strom. In der Schifffahrt steht es aber noch am Anfang.

Ein Beispiel hierfür ist die kürzlich initiierte Kampagne „Switch to Zero“ des Hafenbetriebs Rotterdam und des Unternehmens Goodshipping, an der sich 17 Unternehmen beteiligen. Auch DHL arbeitet bereits seit 2017 mit Goodshipping zusammen, um Seefrachttransporte zu dekarbonisieren. Erst Mitte April kündigte zudem die dänische Reederei Norden an, gemeinsam mit der Plattform 123Carbon und den niederländischen Partnern Allchiefs und Verifavia mit der Ausgabe von Carbon-Inset-Tokens zu beginnen. Über 123Carbon kann Norden nun CO2-Äquivalente, die auf Reisen mit Biokraftstoffen eingespart werden, in Token verbriefen und sie Industriekunden zukommen lassen, die ihre Emissionen im Seeverkehr reduzieren wollen.

Auch im Rahmen von Zemba wird der tatsächliche Containertransport von der Emissionsreduktion entkoppelt. Während also ein Container von Südamerika nach Europa unterwegs ist, werden beispielsweise auf der Strecke zwischen Asien und den USA Emissionen reduziert. Im Kern geht es darum, dass sich die Verlader als Käufergemeinschaft dazu committen, einen Teil ihres Ladungsvolumens emissionsfrei zu verschiffen. Jedes Unternehmen ermittelt dabei das Volumen, das es durch Zemba emissionsfrei abbilden möchte. Zemba aggregiert diese Angaben anonym zu einem Gesamtvolumen.

„Grüne Mehrkosten“ verhandeln

Im Rahmen eines Tenders werden dann für die Jahre 2025 und 2026 sowie für ein noch zu bestimmendes Frachtvolumen Zusatzbeträge pro TEU ausgehandelt. „Die Zusicherung basiert auf Transportvolumen, für die wir eine Emissionsreduktion erzielen möchten. Hierfür verhandelt Zemba die ‚grünen Mehrkosten‘“, sagt Tchibo-Projektmanagerin Schoenlein. Noch in diesem Jahr solle ein bilateraler Vertragsschluss über das zugesicherte Transportvolumen stattfinden, „obwohl die tatsächliche Leistung erst 2025/2026 erwartet wird“. Dadurch schaffe Zemba Vertrauen und die Sicherheit für notwendige Investitionen, „wodurch Reedereien und Kraftstoffproduzenten ermutigt werden sollen, den Einsatz von klimaneutralem Treibstoff voranzutreiben“, fügt Schoenlein hinzu.

Wichtig: Zemba verhandelt dabei für die Mitglieder nur die Höhe der „grünen Mehrkosten“ für die Emissionsreduktion. Die eigentlichen Frachtraten werden davon unabhängig und wie bisher auch individuell und bilateral zwischen Verladern, Spediteuren und Reedereien verhandelt. Wie die Spediteure bei den Zusatzbeträgen eingebunden sein werden, ist derzeit noch unklar. „Zemba entwickelt gerade die Rolle der Speditionen und wie diese am besten in den Prozess integriert werden können“, sagt Schoenlein.

Die größte Herausforderung mit Zemba sei, dass es hierzu keine Erfahrungswerte gebe. „Dies ist der erste Durchlauf, wir werden viel lernen und den Prozess optimieren“, erwartet Schoenlein. „Derzeit geht es vor allem darum, andere Verlader von Zemba zu begeistern.“ Klar sei das Ziel: „Die Mission von Zemba ist erst erfüllt, wenn emissionsfreie Seefracht das neue Normal ist.“ (cs)

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