Komplexe Verknüpfungen in Lieferketten mit möglichst geringem Aufwand transparent und vollständig dokumentieren – einen Weg, wie das funktionieren kann, skizziert Osapiens-Gründer Matthias Jungblut im Gespräch mit der DVZ.

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Berichtspflichten: Mannheimer Start-up hilft im Kampf gegen Bürokratiemonster

08.01.2024

Seit dem Jahreswechsel müssen weitere Unternehmen die Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und die europäische CSRD erfüllen. Osapiens-Gründer Matthias Jungblut ist überzeugt, dass sich die dafür erforderlichen Berichte nur durch Automatisierung noch mit angemessenem Aufwand erstellen lassen.

Wer Risiken verringern will, sollte sie gut kennen. Diese Erkenntnis hat Matthias Jungblut, Stefan Wawrzinek und Alberto Zamora 2018 dazu motiviert, ein Unternehmen zu gründen, das anderen Firmen dabei hilft, ihre Geschäftstätigkeit abzusichern. Komplexe Lieferketten transparent zu machen ist seitdem das Leitmotiv des Start-ups Osapiens. Ein Thema, das für den Softwareanbieter schier unerschöpfliche Aufgaben bereithält.

„Natürlich haben wir damals nicht geahnt, dass Lieferkettentransparenz zu einem Fokus der europäischen Gesetzgebung werden würde“, erzählt Jungblut, der als Chief Product Officer die inhaltliche Verantwortung für das Portfolio trägt. Fünf Jahre später ist längst klar, dass die Unternehmensgründer ein wesentliches, wenn nicht sogar das zentrale Handlungsfeld der 2020er Jahre besetzt haben. Osapiens wurde 2022 mit dem Deutschen Gründerpreis als Aufsteiger des Jahres ausgezeichnet und verfügt inzwischen über fünf Niederlassungen, vier davon in Deutschland und eine in der spanischen Hauptstadt Madrid.

Transparenz schaffen, Automatisierung ermöglichen und damit Komplexität reduzieren – so lassen sich die Grundprinzipien beschreiben, mit denen Osapiens den Kampf gegen Bürokratiemonster aufgenommen hat: CSRD (EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung), LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) und CSDDD (EU-Richtlinie zur Bewertung von Risiken in Lieferketten) lauten die Abkürzungen, die den Kern des Lösungsraums der Softwaresuite beschreiben.

EU Green Deal verlangt Sorgfalt

„Wir beschäftigen uns mit allen Themen des EU Green Deal, zum Beispiel auch mit der Verordnung für entwaldungsfreie Produkte oder der EU-Verordnung über Konfliktmineralien“, erzählt Jungblut. Er bemüht sich, die respekteinflößenden Begriffe nahbar zu machen: „Bei all diesen Themen geht es um die unternehmerische Sorgfalt, darum, keine wichtigen Aspekte zu übersehen, die sich zu großen Risiken entwickeln könnten“, erklärt er. Sie verlangen einen ganzheitlichen Blick auf die eigene Geschäftstätigkeit, der Umwelt- und Ressourcenzerstörung genauso erkennt wie Menschenrechtsverletzungen.

„Die bekannteste Regelung ist sicherlich das LkSG, weil es schon so viele Unternehmen direkt betrifft“, berichtet der Unternehmensgründer. Seit dem Jahreswechsel gilt es in Deutschland für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Es orientiert sich an den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. Deshalb verpflichtet es Unternehmen dazu, Umweltschutzstandards und Menschenrechte zu wahren. In der Transportbranche wurde es bekannter, nachdem im Spätsommer der Hungerstreik von Lkw-Fahrern der polnischen Spedition Mazur Wellen schlug. Damals hatte Torsten Safarik, Chef des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), erklärt, die Fahrer seien Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden.

Regelmäßige Risikoanalysen

Für Jungblut ist dieser Fall ein leicht verständliches Beispiel, sowohl dafür, was das Gesetz fordere, als auch für die Leistung des Reporting-Hubs von Osapiens: „Das LkSG verpflichtet Unternehmen zu einer Risikoanalyse ihrer Lieferanten, und nach den Medienberichten über die ausgebliebenen Zahlungen hätte unsere Software auf mögliche Probleme mit der Spedition hingewiesen“, verdeutlicht er. Die Software könne die Lieferantenprüfung zu einem Teil automatisieren, weil sie nicht nur auf die je Branche zu beachtenden Risiken hinweise, sondern auch öffentlich zugängliche Quellen selbstständig auswerte.

Die Anwendung von Osapiens sammelt Daten und Dokumente und stellt sie für die Berichtspflichten des Unternehmens bereit. „Damit erfüllen wir die bürokratischen Anforderungen so einfach wie möglich“, betont der Produktchef. Natürlich sei es auch möglich, diese Aufgaben von Hand zu erledigen; das erfordere aber einen wesentlich höheren Zeit- und Personalaufwand. „Am Ende ist der jeweilige Bericht Ausdruck der Sorgfalt eines Unternehmens“, verdeutlicht Jungblut. Deshalb sei es unabdingbar, zunächst die eigene Prozesslandschaft zu überprüfen und die Sorgfaltskriterien darin umzusetzen.

„Viele Anforderungen des LkSG lassen sich nur im Dialog mit Lieferanten erfüllen“, so Jungblut. Mit einer Softwarelösung werde es aber deutlich einfacher, die Ergebnisse zu dokumentieren und in die jeweils geforderten Berichtsunterlagen einzubringen. Zudem werde die Anwendung permanent aktualisiert, auf neue gesetzliche Anforderungen abgestimmt und durch konkrete Workflows ergänzt, die sich beispielsweise an Handreichungen des BAFA mit konkreten Verfahrenshinweisen orientierten. Daraus entstehe in den Unternehmen ein angemessenes und sicheres Vorgehen.

Umfassende IT-Integration

Damit eine Software ihre Stärken entfalten könne, müsse sie tief in die IT-Landschaft integriert werden, rät Jungblut. Dann helfe sie aktiv dabei, Risiken zu vermeiden und die Sorgfaltspflichten aus der Gesetzgebung einzuhalten. Beispielsweise sei sie dazu in der Lage, ein umfassendes CO₂-Reporting zu erstellen oder die Risikoanalyse von Lieferanten zu beschleunigen, etwa für Geschäfte am Spotmarkt. „Neben der Grundeinschätzung anhand der Branche und dem Herkunftsland eines Lieferanten kann die Anwendung auch risikobasiert weitere Prüfungen vorschlagen“, verdeutlicht der Produktchef. „Dafür sollten die einschlägigen Frachtenplattformen auch Informationen zu kritischen Themen wie Arbeitsschutz und Entlohnung bereitstellen“, schlägt er vor.

Auch für die Einhaltung der Vorschriften aus CSRD, LkSG und CSDDD bedeute der Plattformansatz Vorteile. Speditionen profitierten unter anderem davon, dass die Software wichtige Datenquellen und Indizes berücksichtigt wie etwa das Helpdesk für Wirtschaft und Menschenrechte, das die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung im Auftrag der Bundesregierung betreibt. Darüber hinaus sei es möglich, dass die gesamte Branche über einen kollaborativen Ansatz konkrete Prüfergebisse aus der Risikoanalyse miteinander teile. „Durch die Risikoanalyse anhand der Sorgfaltspflichten entstehen schließlich keine Wettbewerbsvorteile, die Zusammenarbeit würde aber den bürokratischen Aufwand für alle Beteiligten deutlich verringern“, unterstreicht Jungblut.

Wer sich mit seinen Berichtspflichten befasse, müsse unbedingt berücksichtigen, dass die aktuell geltenden Vorschriften nur den Auftakt bilden für kommende Regelungen, die eine nachhaltige Integration umfassender Sorgfaltspflichten in alle Geschäftsprozesse erforderten. „Unternehmen sollten sich jetzt unbedingt ein ganzheitliches Bild machen, wenn sie Mehrarbeit in der Zukunft vermeiden wollen“, empfiehlt der Experte.

Das Start-up Osapiens
Das Unternehmen wurde 2018 in Mannheim gegründet und ist heute mit 250 Mitarbeitern an weiteren Standorten in Berlin, Ingolstadt, Köln und Madrid für rund 1.100 Kunden in 60 Ländern tätig. Das Start-up erhielt 2022 den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Aufsteiger des Jahres.

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