Bei der Taxonomie müssen Unternehmen Hunderte Aktivitäten ­betrachten. Dabei ist auch zu prüfen, ob bestimmte positive Effekte sich anders­wo negativ auswirken. Foto: anyaberkut/iStock

Nachhaltigkeitsberichte werden durch EU-Vorgaben komplex

20.04.2023

Zwei EU-Richtlinien heben die Unternehmensberichterstattung auf eine neue Ebene: die EU-Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive. Darum sollten sich auch kleinere Logistikunternehmen schon jetzt kümmern.

Nachhaltigkeitsberichte sind für viele Unternehmen mittlerweile Routine. Oftmals dienen sie als öffentlichkeitswirksames PR-Instrument, um das eigene Wirtschaften in einem möglichst grünen Licht erscheinen zu lassen. Es gibt allerdings auch einen rechtlichen Rahmen. So stellt die EU-Taxonomie-Verordnung (EU Tax-VO) ein „Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten dar“, wie die Wirtschaftsprüferkammer in Berlin mitteilt. Sie ist neben der Corporate Sustainability Reporting Directive Teil der nachhaltigen Finanzstrategie der EU. Die Gesetze sollen dazu beitragen, Finanzströme auf den europäischen Kapitalmärkten in nachhaltige Investitionen, also Unternehmen mit grünen Wirtschaftstätigkeiten, zu lenken.

„Anhand vorgegebener Kriterien haben Unternehmen aufzuzeigen, ob und wie ‚grün‘ sie wirtschaften und investieren“, so die Wirtschaftsprüferkammer. „Dazu haben sie taxonomiekonforme Umsatzerlöse, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben zu ermitteln und zusammen mit ergänzenden Erläuterungen in der nichtfinanziellen Erklärung anzugeben.“ Die EU Tax-VO ist seit dem 1. Januar 2022 für das Geschäftsjahr 2021 anzuwenden. Sie gilt für kapitalmarktorientierte Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen.

Anfang dieses Jahres ist zudem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft getreten. Damit wird die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle großen Kapitalgesellschaften – ab 250 Mitarbeitern –, unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung, sowie kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen ausgeweitet. „Der grundsätzliche Gedanke von EU-Taxonomie und CSRD ist ein Gamechanger“, sagt Armin Neises, Gründer und CEO von Waves. Das Start-up bietet eine Software, mit der sich der Anteil der Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens anhand von Kennzahlen bewerten lässt. Mit der Lösung sollen gerade kleine und mittelständische Betriebe angesprochen werden, die sich keine eigenen Abteilungen für die komplexe Nachhaltigkeitsberichterstattung leisten können.

Kampf dem Greenwashing

EU Tax-VO und CSRD sind zwei verschiedene EU-Richtlinien. „Den Hochglanz-Marketing-Broschüren, auf denen vorne Nachhaltigkeitsbericht draufsteht, mit denen tendenziell aber eher Greenwashing betrieben wird, wird damit der Kampf angesagt“, sagt Neises. „Es geht nun um echte Indikatoren, die verlässlich berechnet werden.“ Bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Aktivitäten nach EU Tax-VO zählen drei Kennzahlen: Umsatz, Betriebsausgaben (OpEx) und Investitionsausgaben (CapEx). Was am Ende ermittelt werden muss, ist der sogenannte taxonomiefähige Anteil an dem jeweiligen Finanzindikator. Die Kernfrage lautet Neises zufolge: Wie viel Prozent des Umsatzes sowie der Betriebsausgaben und Investitionen sind bereits nachhaltig?

So könnte bei einem Logistikdienstleister beispielsweise eine Rolle spielen, wie viel Prozent des Umsatzes durch den Betrieb von E-Trucks oder anderen nachweislich nachhaltigen Transportmitteln entstehen. „Bei den Investitionsausgaben lautet die Frage: Wie viel Prozent meiner Neuanschaffungen im letzten Kalenderjahr bezogen sich auf nachhaltige Betriebsausstattung?“, erklärt Neises. Wurden also in einem Jahr 100 Trucks gekauft, und 30 davon waren E-Trucks, dann wäre das schon mal ein taxonomiefähiger Anteil in Höhe von 30 Prozent. Nächste Frage ist dann, wie viel Umsatz mit den neuen E-Trucks gemacht wurde. Schließlich folgt die Frage, wie hoch die Betriebsausgaben für die E-Trucks gemessen an den gesamten Betriebsausgaben sind.

Anwendung EU Tax-VO und CSRD

Derzeit müssen börsennotierte Unternehmen die EU-Taxonomie-Bewertungen vornehmen. Das gilt auch noch für das Berichtsjahr 2023. Ab 2024 müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sowohl die CSRD als auch die EU-Taxonomie erfüllen, das heißt, die definierten Indikatoren müssen in den Finanzbericht aufgenommen werden. Somit müssen die Finanzverantwortlichen auch Nachhaltigkeitskennzahlen in ihren finanziellen Lagebericht aufnehmen. Ab dem Berichtsjahr 2025 gilt die Berichtspflicht dann auch für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder mindestens 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Ab 2026 sind auch alle klein- und mittelständischen Unternehmen in der Pflicht, insbesondere wenn sie in der Liefer- und Transportkette von größeren Unternehmen stehen.

Jetzt damit beschäftigen

Kleine- und mittelständische Logistikdienstleister sollten sich allerdings schon heute mit den Regelungen beschäftigen, rät Neises. Denn die Serviceanbieter sind als Auftragnehmer oft Teil der Lieferkette eines Großunternehmens mit mehr als 500 Mitarbeitern. „Diese großen Unternehmen werden sicher deutlich früher die EU-Taxonomie-Bewertungen und CSRD-Indikatoren von ihren Lieferanten anfordern“, erwartet Neises. Deshalb reiche es nicht aus, nur auf die gesetzliche Ebene zu schauen. „Das sind knallharte Kundenanforderungen, die da kommen werden.“

Dabei sind die Unterschiede beider Regelungen zu beachten. Bei der EU Tax-VO sind die ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten eines Unternehmens die Grundlage für die Ermittlung der angabepflichtigen Kennzahlen, teilt die Wirtschaftsprüferkammer mit. Eine Wirtschaftsaktivität gilt als ökologisch nachhaltig und damit „taxonomiekonform“, wenn sie Kriterien für eines oder mehrere von sechs EU-Umweltzielen erfüllt (Artikel 3 EU Tax-VO). Diese Umweltziele sind Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Stärkung der Kreislaufwirtschaft, Verringerung der Umweltverschmutzung und Schutz der biologischen Vielfalt.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel