Ursula von der Leyen (Foto: EP/Eric Vidal)

EU-Kommission will „grünen Schlüsselindustrien“ helfen

01.03.2023

Wie europäische Hersteller von E-Fahrzeugen, Batterien oder Wasserstoff im globalen Wettbewerb gestärkt werden könnten, hat die EU-Kommission in einem Strategiepapier skizziert. Änderungen der Beihilfe- und Fördermittelpolitik könnten sich auch auf die Transportwirtschaft auswirken.

Mit vereinfachten Genehmigungsverfahren, weiter gelockerten Subventionsregeln, mehr Handelsabkommen und besserer Ausbildung von Arbeitnehmern will die EU-Kommission die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer „grüner Schlüsselindustrien“ schützen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte am Mittwoch eine Industriestrategie zur Unterstützung des Green Deal vor. Sie beschreibt, wie die EU auf Beihilfen reagieren kann, die Staaten wie Indien, Kanada, Japan, Großbritannien und die USA mit ihrem Inflation Reduction Act (IRA) etwa für die Produktion von Elektrofahrzeugen, Solarpaneelen, Batterien oder Windturbinen gewähren wollen.

Dass diese Länder in nachhaltigere Wirtschaftsformen investieren wollten, sei „eine gute Nachricht“ für den Klimaschutz, sagte von der Leyen. „Wir brauchen das.“ Die EU sei auf dem Gebiet wettbewerbsfähig. „Was wir brauchen, ist ein fairer Wettbewerb“, sowohl innerhalb der EU als auch international.

Genehmigungsverfahren verschlanken

Am stärksten klagten Unternehmen immer über langwierige Genehmigungsverfahren. Diese sollen, etwa für den Aufbau von Anlagen zur Erzeugung von Wind- und Solarenergie sowie Wasserstoff oder zur Herstellung von Batterien vereinfacht werden. Von der Leyen kündigte einen entsprechenden Gesetzesvorschlag für einen „Net-Zero Industry Act“ an. Zur Absicherung der Rohstoff- und Energieversorgung sollen zudem bereits früher angekündigte Vorschläge für ein Rohstoffgesetz und zur Reform des Strommarktdesigns dienen. In der Strategie wird auch beteuert, die Kommission wolle sich um weitere Handelsabkommen sowie Rohstoff- und Energiepartnerschaften in aller Welt bemühen.

Die wegen Covid-Pandemie und Ukraine-Krieg gelockerten EU-Beihilferegeln will die Kommission noch weiter vereinfachen und verlängern. Statt bis Ende 2023 sollen sie bis Ende 2025 gelten. Entsprechende Vorschläge leitete die Kommission den Mitgliedsstaaten zur Bewertung zu.

Mehr Beihilfen für Tank- und Ladeinfrastruktur

Eine Überarbeitung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung soll mehr nationale Beihilfen ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission ermöglichen. Erlaubt werden soll das in Bereichen, die für den Übergang zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind, wie Wasserstoff, CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) oder die Herstellung emissionsfreier Fahrzeuge. „Insbesondere beabsichtigt die Kommission, die Anmeldeschwellen für die Förderung grüner Investitionen weiter anzuheben, den Anwendungsbereich von Investitionsbeihilfen für Lade- und Tankinfrastrukturen auszuweiten und Ausbildungsbeihilfen für den Aufbau von Kompetenzen in kleinen und mittleren Unternehmen weiter zu erleichtern“, heißt es in der Strategie.

Beihilfen aus Drittstaaten dürfen ausgeglichen werden

Erleichtert werden sollen Subventionen in Projekte, die „zu einer erheblichen Verringerung der Emissionen führen“, was sich womöglich auch von der Transportwirtschaft nutzen ließe. Neu ist die vorgeschlagene Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen „Ausgleichsbeihilfen“ für Subventionen in Drittstaaten zu erlauben, um einer Abwanderung von Unternehmen aus der EU vorzubeugen. Das zielt auf „Schlüsselprodukte“, die auch über den IRA der USA gefördert werden: Batterien, Solarpaneele, Windturbinen, Wärmepumpen, Elektrolyseure, CCSsowie die Rohstoffe, die für die Herstellung solcher Produkte benötigt werden.

Vestager mahnt zur Vorsicht

All diese Subventionen dürften nur zielgerichtet und zeitlich begrenzt eingesetzt werden, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Durch Beihilfen schafft man keine Wettbewerbsfähigkeit“, ließ sie Bedenken durchblicken und warnte vor einem „Beihilfewettlauf“. Es handele sich nicht um „unschuldige“ Vorhaben. Zudem solle sich die EU bemühen, ihre Beziehungen zu den USA eher zu verbessern als zu beschädigen.

EU-Staaten haben unterschiedliche Spielräume

Auch im Interesse eines funktionierenden Binnenmarktes sieht die Kommission Grenzen der nationalen Beihilfepolitik. 672 Milliarden Staatshilfen hat sie nach dem Krisen-Beihilferecht bislang erlaubt, 53 Prozent davon wurden von Deutschland beantragt, 24 Prozent von Frankreich und 7 Prozent von Italien. Manche Staaten können deutlich weniger zahlen als andere. Deswegen müssten EU-Fördermittel „die andere Seite der Medaille“ sein, sagte von der Leyen. Sie verwies auf bestehende Finanzierungsmöglichkeiten durch Programme wie EU-Innovationsfonds, InvestEU, Repower EU oder das Corona-Wiederaufbauprogramm. Von letzterem sollen nach bisheriger Planung auch Verkehrsprojekte stark profitieren. Die Kommission will Mitgliedsstaaten im Lichte der neuen Herausforderungen aber noch Änderungen ihrer nationalen Ausgabenpläne ermöglichen. Diese sollen sie bis spätestens zum 30. April anmelden.

Repower EU wurde hauptsächlich ins Leben gerufen, um die EU unabhängig von fossiler Energie aus Russland zu machen. Das sei bereits jetzt gelungen, sagte von der Leyen. Deshalb könnten 250 Milliarden Euro nun zur Unterstützung der klimaneutralen (Net-Zero) Industrie umgeleitet werden.

EU-Souveränitätsfonds wird vorbereitet

Mit dem EU-Souveränitätsfonds kündigte von der Leyen einen neuen EU-Fördertopf an. Ein Vorschlag dafür soll bis zum Sommer vorliegen. Über Umfang des Fonds und Details machte die Kommission am Mittwoch keine Angaben.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßt die angekündigten Vorschläge für einfachere Genehmigungsverfahren. „Aktuell dauern Infrastrukturausbau und Förderverfahren viel zu lange. Der Green-Deal-Industrieplan muss die Grundlage werden, damit Europa als klimaneutraler Industriekontinent die Transformation bewältigt“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. „Auf ‚America First‘ reagieren wir nicht mit ‚Europe First‘, sondern mit ‚Europe Fast‘“, sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. „Denn der Erfolg im Green-Tech-Bereich steht und fällt mit der Umsetzungsgeschwindigkeit. Wer wartet oder abwartet, der verliert.“

Die Anpassung des Beihilferechts müsse der Auftakt zu einer größeren Reform sein. Das EU-Beihilferecht sei „schlichtweg nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr an die globalen Herausforderungen angepasst“, sagte Lange.Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) meint, dass die Lockerung von Beihilferegeln nicht ausreicht, um die Verkehrsbranche oder die Hersteller von grünem Wasserstoff und Batterien zu unterstützen. „Wenn wir diese Schlüsselsektoren in ganz Europa halten wollen, müssen wir auch den finanziellen Spielraum aller EU-Mitgliedsstaaten im Blick haben – sei es durch eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts oder eine gemeinsame Fiskalkapazität“, sagte Andresen.

CDU/CSU drängt auf bessere Rahmenbedingungen

„Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit behebt man primär nicht durch noch mehr Subventionen, sondern vor allem durch die richtigen Rahmenbedingungen“, sagte Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im EP. Dazu gehöre die Erschließung neuer Märkte, etwa durch Freihandelsabkommen. „Wenn diese dann jedoch, wie im Falle Mercosur, jahrelang von europäischen Regierungen aufgehalten werden, bleiben dies nur hohle Worte“, sagte Caspary.

Der CDU-Abgeordnete Markus Pieper forderte die stärkere Mobilisierung von privatem Kapital und einen Stopp neuer sozialer und ökologischer Berichtspflichten für Unternehmen. „Globale Lieferketten durch Bürokratie ohne Mehrwert zu zerstören, führt die verbliebene Industrie ins Abseits“, mahnte Pieper.

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, findet die Strategie noch zu unklar. „Ob das Programm wirklich eine neue Agenda für Wettbewerbsfähigkeit setzt oder nur bisherige Programme unter einem neuen Namen fortführt, muss sich erst noch zeigen“, sagte er.

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