Mehr Ladevolumen und ein höheres Gewicht führen zu einer besseren Klimabilanz pro Tonnenkilometer. Doch es gibt auch Punkte, die gegen längere Lastenzüge sprechen.

Bild: Imago/Arnulf Hettrich

Pro und Kontra: Sind längere Lastzüge gut für das Klima?

28.03.2024

Das Europäische Parlament will mit Anpassungen der Richtlinie für Lkw-Abmessungen und -Gewichte den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr erleichtern. Ob das der richtige Weg ist, darüber gibt es in der DVZ-Redaktion unterschiedliche Meinungen.

Pro (Lutz Lauenroth)

Das war von vornherein klar, dass den Bahn-Lobbyisten jegliche Veränderung der Maße und Gewichte im Straßengüterverkehr nicht schmecken wird. Doch ist die jetzt festgelegte Position des Europäischen Parlaments (EP) zu einer Reform der entsprechenden Richtlinie ein pragmatischer europäischer Ansatz, der auch im Sinne des Klimaschutzes sein kann.

Die vorgeschlagene Regelung dürfte mitnichten Europas Straßen mit längeren und schwereren Lkw überschwemmen. Dafür sollen schon Vorgaben sorgen, die das EP beispielsweise durch vorgelagerte Streckenprüfungen und eventuelle Auswirkungen auf den Modal Split einführen will. Und vor allem: Die Mitgliedsstaaten entscheiden nach wie vor selbst, welche Fahrzeuglängen und -gewichte über die europäischen Standardmaße hinaus auf ihrem Straßennetz fahren dürfen.

Doch wenn zwei benachbarte Länder auf ihrem jeweiligen nationalen Straßennetz die gleichen Fahrzeugtypen zulassen, warum sollen diese nicht dann auch grenzüberschreitend fahren dürfen? Es passt nicht zu einem europäischen Markt, dies aus formalen Gründen zu verbieten, nur weil eine Staatsgrenze dazwischen liegt. Und dies nur dann zu ermöglichen, wenn Sondergenehmigungen vorliegen oder ein bilaterales Abkommen zwischen den beiden betreffenden Ländern geschlossen wird, ist unnötige Bürokratie. Das gilt sowohl für längere 25-Meter-Lastzüge als auch für geplante 44-Tonnen-Regelungen im grenzüberschreitenden Verkehr.

Aber die Umsetzung des EP-Vorschlags könnte auch dem Klimaschutz helfen. Denn gerade im grenzüberschreitenden Verkehr würde die Regelung dem Lkw schnell und ohne großen Aufwand zu einer verbesserten Klimabilanz verhelfen. Mehr Ladevolumen und gegebenenfalls ein höheres Gewicht führen zu einer geringeren Umweltbelastung pro Tonnenkilometer, wie Studien zum Einsatz von Lang-Lkw belegen. Ein angesichts des hohen Modal-Split-Anteils des Lkw nicht von der Hand zu weisendes Argument und eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme.

Bleibt die von der Bahn-Fraktion befürchtete Transportverlagerung von der Schiene auf die Straße. Dass es dazu nicht kommt, dafür muss die Bahn schon allein sorgen – durch eigene höherwertige Angebote sowie einen steigenden Druck auf die Politik, die Rahmenbedingungen für die Schiene zu verbessern. Die Blockade von sinnvollen Regelungen für die Straße ist jedenfalls nicht der richtige Weg, um die eigene Position zu stärken.

Auch in Sachen Klimaschutz gilt: Wettbewerb belebt das Geschäft. So könnten die Anstrengungen zugunsten einer attraktiveren Schiene durch die neue Lkw-Richtlinie einen weiteren Schub erhalten.

Mehr Ladevolumen und ein höheres Gewicht führen zu einer besseren Klimabilanz pro Tonnenkilometer.

Kontra (Frank Hütten)

Ja, auf jeden Fall muss auch der Straßengüterverkehr umwelt- und klimaverträglicher werden, wenn die EU eine Chance haben will, ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Und nein, die Beschlüsse des Europäischen Parlaments zur Richtlinie über Maße und Gewichte öffnen nicht das Tor für einen ungebremsten Verkehr mit Lang-Lkw quer durch Europa. Aber man kann sich schon fragen, ob einige der geplanten Regelungen die Entwicklung des nachhaltigsten Verkehrsträgermixes fördern.

Welches Signal sendet es etwa an Transportunternehmer, wenn bis zum Jahr 2035 Diesel-Lkw mit bis zu 44 Tonnen Gewicht unbeschränkt die Grenzen zwischen Mitgliedstaaten überqueren dürfen, die solche Fahrzeuge zulassen? Das ist kein Massenphänomen in der EU. Aber für Unternehmen etwa in Frankreich und Belgien gibt es dadurch einen Anreiz, bis 2035 weiter auf Diesel zu setzen, statt über die Anschaffung von Lkw mit Batterie, Brennstoffzelle oder Wasserstoff-Verbrennungsmotor nachzudenken. Solche emissionsfreien Fahrzeuge durch eine Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts auf 44 Tonnen zu fördern, ist dagegen sinnvoll und weitgehend unumstritten.

Zugmaschinen, die lange und schwere Fahrzeugkombinationen aus dem Baukastensatz des European Modular Systems (EMS) ziehen, dürften eher später als früher emissionsfrei unterwegs sein. Sicher: Kein EU-Staat wird verpflichtet, EMS-Lang-Lkw auf seinen Straßen zu erlauben, genauso wenig wie Diesel-Lkw mit 44 Tonnen Gesamtgewicht. Der Druck auf die Regierungen könnte aber steigen, das zu tun, wenn sich dadurch neue Chancen im grenzüberschreitenden Verkehr ergeben. Befürworter solcher Lockerungen verweisen zudem auf fehlende Kapazitäten bei Bahn und Binnenschifffahrt.

Hier ist ein springender Punkt: Eine freiere Fahrt für längere und schwerere Lkw muss durch eine entschlossene Förderung der anderen Verkehrsträger ankiert werden. Davon ist momentan aber nicht viel zu sehen. Das nachhaltigste Verkehrssystem ist intermodal. Dafür müssen alle Verkehrsträger ausreichende Kapazitäten bekommen, und es braucht mehr Umschlagterminals an den richtigen Orten.

Nochmal: Nachhaltigere Lkw werden gebraucht, aber es wäre nicht gut, wenn mehr Lang-Lkw-Verkehr zulasten der Bahn ginge, die vor allem auf langen Strecken energieeffizienter und damit klimafreundlicher unterwegs ist. Das Argument, dass auch größere Lkw gut für das Klima sind, stimmt in der Gesamtbilanz nur dann, wenn die effizienteren Fahrzeuge nicht noch viel zusätzlichen Verkehr auf die Straße locken.

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