Welcher Schiffstreibstoff steht wo zur Verfügung? Das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) will mit Hilfe einer digitalen Bunkerplattform mehr Transparenz in puncto alternative Kraftstoffe für Behörden, Lieferanten, Reeder und Häfen schaffen.

Bild: Illustration: iStock

Kompass für die Schifffahrtswende

20.06.2023

Welcher Schiffstreibstoff steht wo zur Verfügung? Das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) will mit Hilfe einer digitalen Bunkerplattform mehr Transparenz in puncto alternative Kraftstoffe für Behörden, Lieferanten, Reeder und Häfen schaffen.

Im April dieses Jahres gab es ein Novum: Laut dem auf den maritimen Sektor spezialisierten Beratungshaus Clarksons Research wurden erstmals etwa 60 Prozent der neu bestellten Schiffe – gemessen an der Bruttoraumzahl (BRZ) – mit alternativen Kraftstoffen wie LNG, LPG, Methanol und Wasserstoff betrieben. Der Trend zu alternativen Antrieben in der Seeschiffahrt hat damit weiter Fahrt aufgenommen.

Nach Prognosen der Klassifikationsgesellschaft DNV dürfte die Entwicklung anhalten: Während für 2023 noch mit 544 Schiffen mit LNG (Liquefied Natural Gas) gerechnet wird, sollen es 2025 bereits 842 sein. Ähnlich ist es bei LPG (Liquefied Petroleum Gas). Hier soll sich die Zahl von 133 in diesem Jahr bis 2025 auf 169 erhöhen. Schiffe mit Methanolantrieb sollen von 30 (2023) auf 86 steigen, bei Wasserstoff von 15 auf 21. Immer strengere Umweltvorschriften wie die seit Jahresbeginn geltenden Klimaregeln der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) könnten diese Entwicklung beschleunigen. Das gilt auch für die auf der anstehenden Sitzung des IMO-Umweltausschusses MPEC 80 im Juli zu verabschiedende überarbeitete Klimaschutzstrategie der Seeschifffahrtsorganisation.

Herausforderung Kraftstoff-Vielfalt

Die Zahlen zeigen aber auch noch etwas anderes sehr deutlich: Anders als in der Vergangenheit wird es zumindest in der näheren Zukunft mehrere Treibstoffe geben. Welche das genau sein werden, ist von vielen Faktoren abhängig und nur zum Teil prognostizierbar. Daher kann und wird zusätzlich zu bestehenden konventionellen Bunkermöglichkeiten nicht flächendeckend die Infrastruktur für alle alternativen Kraftstoffe aufgebaut. Zumindest in den nächsten Jahren dürfte also nicht jeder Frachthafen der Welt jederzeit auch alle alternativen Treibstoffe in ausreichender Menge zum Bunkern vorrätig haben.

Zudem gelten etwa in Deutschland aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer unterschiedliche Regularien für die Genehmigung der verschiedenen Treibstoffbunker in den Häfen. Dabei müssen auch die zum Teil sehr unterschiedlichen Eigenschaften der alternativen Energieträger etwa im Hinblick auf den Aggregatzustand beim Bunkern, den Flammpunkt, die Toxizität und die Dichte berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht einfach ermitteln, ob und unter welchen Voraussetzungen in einem bestimmten Hafen beispielsweise das Bunkern tiefgekühlter Gase überhaupt möglich ist.

Bereits 2018 hatte die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) in enger Zusammenarbeit mit der DG Move der EU-Kommission einen Leitfaden zum Bunkern von LNG veröffentlicht. Ziel war es, interessierte Hafenbehörden und Verwaltungen beim Einsatz von LNG als Schiffskraftstoff zu unterstützen. Auch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bietet Informationsangebote. Basis dafür sind die Vorgaben des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL). In dessen Anlage IV sind die örtlich tätigen Bunkerlieferanten verzeichnet.

Erste DMZ-Studie 2020

Das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) hatte bereits 2020 das Unternehmen Ramboll mit einer Studie beauftragt, um einen Vorschlag für eine einheitliche Rechts- und Verfahrenslage zum Betanken von Schiffen mit verflüssigten Gasen und Kraftstoffen mit niedrigem Flammpunkt zu entwickeln. In der Folge wurde 2021 ein Leitfaden veröffentlicht, der dazu beitragen sollte, die je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen und Genehmigungsabläufe an den Hafenstandorten zu vereinfachen und zu harmonisieren.

Nun will das DMZ in einem nächsten Schritt noch mehr Transparenz rund um die Bebunkerung mit alternativen Kraftstoffen für alle Beteiligten der maritimen Lieferkette schaffen, also Behörden, Lieferanten, Reedereien und Häfen. Dazu wird derzeit eine digitale Plattform konzipiert. Das berichteten jüngst die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter, Katrin Maul und Gunther Zeitzmann.

Als Vorlage dient die Plattform Elwis (Elektronischer Wasserstraßen-Informationsservice) der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die tagesaktuell alle Schifffahrtstreibenden auf deutschen Seeschifffahrts- und Binnenwasserstraßen mit wichtigen Informationen etwa zu den Wasserständen versorgt.

Dabei setzt das DMZ auf eine kartenbasierte Darstellung. Deren Ausgangspunkt soll der Hafen mit den jeweiligen Kontaktdaten der zuständigen Hafen- und Genehmigungsbehörden sowie zu Bunkerlieferanten und zum jeweils vorgehaltenen Kraftstoffportfolio sein. Letzteres kann optional auf Bunkerarten wie PTS (Pipeline-to-Ship), TTS (Truck-to-Ship) und STS (Sip-to-Ship) erweitert werden.

Übersicht per Kraftstoffampeln

Außerdem sind zur einfacheren Übersicht zwei Kraftstoffampeln geplant, berichtete Maul. Eine davon bietet eine Übersicht über die – je nach Bundesland beziehungsweise lokal unterschiedlichen – Vorschriften im jeweiligen Hafen, eine zweite über die Verfügbarkeit des Kraftstoffs, wie es bereits das BSH anbietet.

Einem noch zu definierenden Personenkreis soll darüber hinaus mittels eines gesonderten Moduls ein nicht öffentlich zugänglicher Daten- und Informationsaustausch zu Pilotprojekten, Genehmigungsverfahren und Risikobewertungen ermöglicht werden. Auf diesem Weg sollen etwa mit harmonisierten Checklisten Genehmigungsprozesse effizienter gestaltet und die Nutzung alternativer Kraftstoffe beschleunigt werden.

Perspektivisch könnten Informationen zu spezifizierten Liegeplätzen, (Vorqualifizierungs-)Audits der International Association of Ports and Harbors (IAPH) sowie Datenschnittstellen hinzukommen und die selbstständige Pflege der Daten von den Beteiligten übernommen werden. Ebenfalls könnte über das zukünftige zentrale Meldeportal European Maritime Single Window auch die Bunkermeldung über die neue Bunkerplattform vorgenommen werden. Noch in diesem Jahr soll mit der Programmierung gestartet werden.

Verwandte Artikel