Ein E-Lkw-System braucht mehr als nur Ladestationen.

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In sieben Schritten zum idealen Ladepark

03.05.2024

Dreh- und Angelpunkt beim Umstieg auf Elektro-Lkw ist die Ladeinfrastruktur. Um hier die Weichen richtig zu stellen, muss bei der Planung mehr als nur der physische Aufbau berücksichtigt werden.

Selbst unter konservativen Annahmen kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, dass dem E-Lkw die Zukunft gehört. Der Knackpunkt für den Wandel des Güterverkehrs hin zum emissionsfreien Fahren ist die Ladeinfrastruktur. Diese muss anders gedacht werden, als ein Tankstellenkonzept für Dieselflotten: Laut einer Studie des Öko-Instituts wird künftig ein erheblicher Teil der benötigten Energie vor Fahrtantritt im Depot mit geringer Leistung geladen. Ähnlich sieht es aus, wenn die Batterien der E-Lkw über Nacht an entsprechende öffentliche Ladepunkte angeschlossen werden. Stehen die Fahrzeuge etwa acht Stunden still, reichen Ladesäulen mit einer Leistung von 50 bis 150 Kilowatt völlig aus.

Anders ist das jedoch bei E-Lkw, die tagsüber in der Pause des Fahrers geladen werden sollen. Um eine Batterie mit einer Speicherkapazität von 600 Kilowattstunden innerhalb von 30 bis 45 Minuten von 20 Prozent (120 kW/h) auf 80 Prozent (480 kW/h) zu bringen, sind Ladesäulen mit einer Kapazität von mindestens 700 Kilowatt notwendig. Mit noch leistungsfähigeren Megawatt-Chargern an Schnell-Ladehubs lässt sich die benötigte Zeit weiter verkürzen, wobei aber immer in Betracht gezogen werden muss, dass der Fahrer den Lkw in seiner gesetzlich vorgesehenen Pause nicht selbst bewegen darf.

Die Vielfalt an „Tank“-Szenarien steigt also. Damit dies eine Chance ist und kein Risiko, ist die Wahl der richtigen Technologie für die Ladesysteme enorm wichtig. Je nach Ladeszenario – im Depot, in der Nacht oder entlang der Strecke – werden verschiedene Hardwarelösungen gebraucht. Allen Szenarien gemein ist, dass eine Anpassung des Ladevorgangs an die lokalen Gegebenheiten Vorteile bringen kann. Folgende sieben Aspekte sollten bei der Konzeption der Ladeinfrastruktur für Lkw-Flotten stets mitgedacht werden.

1. Ladeort und Ladeleistung

Geladen wird dort, wo geparkt wird. Die Ladegeschwindigkeiten richten sich nach den Standzeiten der Fahrzeuge am jeweiligen Standort. Unterwegs wird der Ladevorgang von der vorgeschriebenen Pausenzeit von 45 Minuten limitiert, im Depot wird die verfügbare Zeit durch die Be- und Entladezeit sowie die geplante Abfahrtszeit der nächsten Tour bestimmt. Am öffentlichen Nachtparkplatz definiert die Nachtruhe die Standzeit. Je nach Ladeszenario braucht es dann verschiedene Lösungen: Diese reichen vom Ladekabel, das im Flottendepot von der Decke hängt, über bodenbasierte Dispenser mittlerer Leistungsstufen auf Nachtrastplätzen bis hin zur HPC- oder MCS-Ladestation mit wassergekühlten Kabeln entlang der Route.

2. Skalierbarkeit

Eine Powerblock-Dispenser-Architektur ermöglicht es, mit relativ geringen Zusatzinvestitionen auf einen Schlag alle Stellplätze eines Depots oder Parkplatzes zu elektrifizieren. Die Leistung kann dann über zusätzliche Powerblocks oder weitere Module innerhalb eines Powerblocks aufgestockt werden, so dass immer mehr Fahrzeuge gleichzeitig mit hoher Leistung versorgt werden können.

3. Integration in Flottenbetrieb

Über die Flottenmanagementlösung wird die Route der E-Lkw geplant und die Daten stehen allen Stakeholdern in Echtzeit zur Verfügung, damit diese ihre eigenen Planungsdaten damit abgleichen können. Künftig werden diese Lösungen automatisiert Ladestationen entlang der Strecke oder am (Zwischen-)Ziel reservieren können. Dabei werden zum Beispiel die Ankunftszeiten, der Ladezustand, die weitere Routenplanung des Fahrzeugs oder die Wahl von bestimmten Parkbuchten für bestimmte Fahrzeuge zum Be- und Entladen aus dem Flottenmanagementsystem genutzt.

4. Nutzerfreundlichkeit

Um die Akzeptanz des E-Lkw bei den Fahrern zu fördern, muss deren Bedienung einfach sein. Das gilt auch für die Ladelösungen: Diese können die Fahrer bei der Orientierung unterstützen und beispielsweise anzeigen, auf welches Fahrzeug die Säule gerade wartet. Das ist etwa durch die Anzeige des Nummernschildes möglich. Oder aber die Säule signalisiert ihre Position über blinkende LEDs, wenn das sich nähernde Fahrzeug über Bluetooth erkannt wird. Die Integration der Daten aus der lokalen Ladeinfrastruktur in das Access Management für den Parkplatz sowie eine integrierte Abrechnung von Park- und Ladegebühren kann weitere Vorteile bringen. Durch die Live-Session-Information weiß der Fahrer auch bei längeren Standzeiten, wann das Fahrzeug geladen ist. Am Charger kann per QR-Code-Scan der aktuelle Stand der Ladung auf dem Mobiltelefon nachvollzogen werden, auch wenn der Fahrer sich vom Fahrzeug entfernt, beispielsweise um etwas einzukaufen.

5. Integration in Abrechnungsprozesse

Deutliche Vorteile bringt die smarte Integration der Ladeinfrastruktur in die Abrechnungsprozesse inklusive automatisierter Fahrzeugerkennung und Verrechnung zwischen den Speditionen. Lkw von Drittanbietern könnten dadurch auch in den Depots laden, die nicht von dem eigenen Unternehmen betrieben werden. Aus Gründen der Convenience, aber auch der Prozesssicherheit und für eine automatisierte Abrechnung des Stroms mit den anliefernden Flottenbetreibern ist dabei eine automatisierte Fahrzeugerkennung sinnvoll. Diese kann auf verschiedenen, auch proprietären Lösungen beruhen – Bluetooth, Erkennung von Fahrzeug-Dongle-Technik oder auch MAC-Adressen. Individuelle Lösungen gibt es bereits heute. So kann die Bezahlfunktion in die Flottenkarte integriert werden – und perspektivisch wäre es damit sogar möglich, dass die Lkw auch an fremden Ladesäulen zu den Konditionen geladen werden, die der Flottenbetreiber mit dem eigenen Energie-Provider abgeschlossen hat.

6. Integration in Energiemanagement

Flottendepots können zu Assets am Energiemarkt werden. Beispielsweise, wenn die Dächer mit PV-Anlagen ausgestattet sind. Je nach örtlichen Gegebenheiten können darüber Batterie-Zwischenspeicher versorgt werden, über die die eigenen und auch fremde E-Lkw wieder aufgeladen werden können. Auch diese Strukturen müssen miteinander vernetzt werden, so dass die Verteilung der Ladeleistung auf die tatsächlich belegten Ladepunkte intelligent steuerbar ist. Je nach Ladestatus, Abfahrtszeit und geplanter nächster Route kann ein Fahrzeug mehr Leistung benötigen als ein anderes. Hier muss die Ladeinfrastruktur zusammen mit den Daten des intelligenten Energiemanagementsystems in das oftmals schon bestehende Flottenmanagement-Tool integriert werden. Über variable Preismodelle lässt sich die Auslastung besser steuern.

7. Offene Schnittstellen und Update-Fähigkeit:

Die Ladestationen müssen wartbar und aktualisierbar sein – und das über die gesamte Produktlebensdauer –, damit auch die Fahrzeuge, die erst in fünf Jahren auf den Markt kommen, keine Ladeabbrüche an den Stationen haben. Zugleich ist die Integrationsfähigkeit wichtig – entscheidend dafür ist nicht nur die Backend-Wahl, sondern auch die Wahl der richtigen Hardware im Feld. Es braucht ein offenes Betriebssystem, in das die verschiedenen Daten über offene Programmierschnittstellen implementiert werden können, um so Abläufe individualisieren und integrieren zu können.

Unter dem Strich zeigt sich, dass der informatorischen Vernetzung der Ladeinfrastruktur eine ebenso hohe – wenn nicht gar höhere – Bedeutung zukommt wie den physischen Anlagen. Grundlegend dabei ist aber auch, dass die Prozesse von Anfang an einer Standardisierung unterliegen, um ein ohne Medienbrüche funktionierendes System über Unternehmens- und auch Ländergrenzen hinweg etablieren zu können. (ben)

Sebastian Lucae ist Chief Strategy Officer der Münchner Internet-of-Things-Plattform für Elektrofahrzeuge EcoG.

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