Die Performance eines E-Lkw muss exakt in der Tourenplanung berücksichtigt werden.

Bild: Daimler Trucks

Auf dem Weg zur Antriebsvielfalt

09.04.2024

Mit der Streichung des KsNI-Programms ist ein wichtiger Hebel für die Antriebswende vorerst vom Tisch. Trotzdem sollten Unternehmen langfristig daran festhalten, alternative Antriebe in ihre Flotte zu integrieren. Das kann in vier Schritten gelingen.

Die neuen CO₂-Standards für Nutzfahrzeuge in der EU liegen auf dem Tisch. Laut der CO₂-Grenzwertverordnung sollen die Emissionen neuer Lkw bis 2040 um 90 Prozent sinken. Damit scheint das Aus für den Verbrennungsmotor im Lkw weitgehend besiegelt – obwohl eine Hintertür für den Einsatz von biogenen Kraftstoffen oder E-Fuels offengeblieben ist. Noch aber werden die derzeit verfügbaren oder marktnahen Antriebsmöglichkeiten parallel eingesetzt und ausprobiert. Neben dem Diesel-Lkw rollen mittlerweile Nutzfahrzeuge mit rein batterieelektrischem oder Brennstoffzellen-Antrieb genauso über die Straßen wie LNG- oder CNG-Lkw oder auch solche, die HVO100 in einem der Nachbarländer getankt haben. Ein klarer Favorit ist derzeit nicht zu erkennen.

Gut möglich also, dass sich die Transportunternehmen mittelfristig nicht auf einen neuen Standard, sondern ein ganzes Ensemble einstellen müssen – je nachdem, welche Antriebstechnologie sich für eine Aufgabe besser eignet. Fuhrparkmanager, die sich bisher bei nahezu jedem Auftrag auf den gleichen Fahrzeugtypen verlassen konnten, stehen damit vor neuen Herausforderungen. Sie müssen den Einsatz ihrer Flotte ganz neu planen. Das ist – je nach Unternehmensgröße – hochkomplex.

Welches Fahrzeug für welche Route infrage kommt, kann künftig auch von Fragen abhängen wie: Gibt es Einschränkungen entlang der Strecke, etwa durch Emissionsvorgaben in Durchfahrts- oder Zielstädten? Haben die Auftraggeber besondere Ansprüche an das Fahrzeug? Stehen ausreichend Fahrer zur Verfügung, die den Umgang mit unterschiedlichen Fahrzeugtypen beherrschen? Und auch darüber hinaus ergeben sich neue Herausforderungen: Reduziert eine Investition in eine eigene Speicherlösung für selbsterzeugte Energie langfristig meine Betriebskosten? Lohnt sich eine eigene mobile Wasserstoff-Betriebstankstelle für Brennstoffzellen-Lkw?

Viele dieser Fragen lassen sich kaum verallgemeinern und stellen sich je nach Unternehmen in unterschiedlicher Intensität. Entsprechend kann auch die für einen jeweiligen Betrieb ‚richtige‘ Antwort variieren. Trotzdem kann eine Lkw-Flotte, in der verschiedene Antriebe parallel zueinander eingesetzt werden, effizient betrieben werden. Allerdings müssen die Unternehmen zuvor die richtige Basis schaffen, wobei den Flottendaten eine besonders wichtige Rolle zukommt. Das klassische Flottenmanagement muss also an die neuen Realitäten angepasst werden. Das lässt sich in vier Schritten erreichen.

Schritt 1 Technologien, Potenziale und Grenzen kennenlernen

Um den passenden Antriebsmix für das Unternehmen zu definieren, müssen die Flottenmanager alle Antriebsarten und deren jeweilige Vor- und Nachteile kennen. Ein Beispiel: Derzeit kommen E-Lkw mit einer Batterieladung deutlich weniger weit als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder wasserstoffbasierte Brennstoffzellen-Lkw. Sie eignen sich daher in erster Linie für kürzere Strecken im Nahverkehr und in der mittleren Distribution. Mittelfristig soll sich das ändern, und bereits in ein paar Jahren dürften die Reichweiten der E-Lkw fernverkehrstauglich sein. Zudem nimmt der Aufbau der notwendigen Ladeinfrastruktur Fahrt auf. Dann könnten E-Lkw zumindest im nationalen Fernverkehr die Nase vorn haben – vorausgesetzt natürlich, der Strompreis sinkt deutlich.

Schritt 2: Ladeinfrastrukturen im Auftragskontext analysieren

Wollen Transportunternehmen auf alternative Antriebssysteme setzen, sind sie von internen Anforderungen, aber auch externen Faktoren wie der Ladeinfrastruktur entlang ihrer Routen abhängig. Mithilfe einer aktuellen Datenbasis für beide Bereiche können sie feststellen, welche Antriebsarten für einen Auftrag infrage kommen. Dabei sollten sie sich die folgenden Fragen stellen: Welchen auf die Antriebsart bezogenen Restriktionen unterliegt der Auftrag? Ergeben sich hieraus weitere Anforderungen an die operative Abwicklung? Zum Beispiel: Ist die Ladestruktur für unterschiedliche Antriebsarten entlang der Route ausgebaut? Gibt es neben eigenen und öffentlichen Ladepunkten Unternehmen, mit denen eine Ladepartnerschaft eingegangen werden kann? Ist der Zeitaufwand für Ladevorgänge mit den Timings des Auftraggebers vereinbar?

Antriebsarten im Vergleich

Bio-LNG/CNG: Die Technik ist erprobt, doch im Vergleich zu einem Dieselmotor um mehrere Zehntausend Euro teurer. Die Aufhebung der Mautbegünstigung hat die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen nachhaltig beeinträchtigt.
Elektroantrieb: Lkw mit Elektroantrieb werden mittlerweile flächendeckend angeboten. Die Reichweiten lassen auch den Einsatz im Fernverkehr zu, doch die Ladeinfrastruktur an den Autobahnen ist erst rudimentär vorhanden.
HVO100: Ab dem 13. April 2024 wird der biogene Kraftstoff an Tankstellen angeboten. Die CO₂-Einsparung im Vergleich zum Diesel liegt bei rund 80 Prozent. Der Preis ist derzeit noch geringfügig höher.
Brennstoffzelle: In der Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit Luft und erzeugt so Strom, der die Batterie des Fahrzeugs lädt. Die Technik ist noch teuer, zudem befindet sich die Wasserstoffversorgung erst im Aufbau.

Schritt 3: Investitionskosten und -gewinne einordnen

Die Anschaffung von Lkw mit alternativen Antriebssystemen ist derzeit mit hohen Investitionen verbunden – zumal auch die KsNI-Fördermittel bis auf Weiteres eingefroren sind. Doch spricht einiges dafür, dass sich der Umstieg mittelfristig lohnen könnte. Zunächst einmal hat die CO₂-Maut die Betriebskosten der Verbrenner-Lkw erheblich nach oben getrieben, und der ab 2027 vorgesehenen Emissionshandel wird die Kosten weiter steigen lassen. Auf der anderen Seite werden die Anschaffungs-, Finanzierungs- oder Leasingkosten für die lokal emissionsfreien Lkw aufgrund von Skaleneffekten und technischer Fortschritte sehr wahrscheinlich sinken. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass die Kosten für E-Lkw und/oder Brennstoffzellen-Trucks mittel- bis langfristig unter denen eines Lkw mit Verbrennungsmotor liegen werden. Das könnte die Antriebswende als Ganzes deutlich beschleunigen: Laut einer aktuellen Studie von PwC werden E-Lkw die Verbrenner bei den Gesamtbetriebskosten bereits ab 2025 schlagen, bis 2030 gar um 30 Prozent günstiger sein.

Hinzu kommt, dass in immer mehr Städten restriktive Abgasregelungen gelten. Weiterer Druck kommt vonseiten der verladenden Wirtschaft, die zunehmend ihre CO₂-Bilanz im Auge behält. Daher finden sich immer öfter in den Ausschreibungen der Transportaufträge entsprechende Vorgaben für die Umweltwirksamkeit der Fahrzeuge. Nicht zuletzt ist der Wechsel auf Lkw mit Wasserstoff- oder batterieelektrischem Antrieb für Transportunternehmen mit einem Reputationsgewinn verbunden.

Schritt 4: Den Flottenbetrieb optimieren

Die Investitionen in alternative Antriebssysteme werden für ein Unternehmen umso kritischer, je höher der Kostendruck ist. Um in die klimaneutrale Verkehrszukunft zu starten, brauchen Flottenmanager also finanzielle Spielräume. Die Politik kann entsprechend ihrer Haushaltsmittel Anreize schaffen, doch derzeit liegen die üppig ausgestatteten Förderprogramme bis auf Weiteres auf Eis. Auf der anderen Seite haben die Fuhrunternehmen eigene Hebel, um die Kosten zu senken, wie zum Beispiel die weitere Verbesserung der Prozesse im Tagesgeschäft. Jeder Fuhrpark liefert eine Fülle an Daten, die richtig analysiert dazu genutzt werden kann, Kostentreiber im Fuhrpark zu identifizieren und zu beseitigen.

Es zeigt sich: Die Herausforderung der Antriebswende stellt sich nicht isoliert. Sie ist eng mit einer weiteren „Baustelle“ vieler Flotten verknüpft: der Digitalisierung. Hierbei geht es um mehr als nur die Erhöhung der eigenen Effizienz. Manuelle durch IT-gestützte Prozesse zu ersetzen, die zwar papierlos, schneller, fehlerfreier, aber ansonsten gleich sind, wird nicht reichen. Unternehmen müssen die Vernetzung ihrer Flotte zum Anlass nehmen, ganz neue, strategische Fragen zu stellen – wie die nach dem richtigen Antriebsmodell für die richtige Strecke.

Die Möglichkeiten hierfür liegen bereits vor: Moderne Telematiklösungen liefern nicht mehr nur Fahrzeug- und Fahrverhaltensdaten, sondern binden auch relevante Umgebungsvariablen wie die Ladeinfrastruktur und das Energiemanagement mit ein. So werden die relevanten individuellen Unternehmensdaten zum „Treibstoff“, um aus den Herausforderungen der Antriebswende echte Chancen zu machen. (ben)

Wolfgang Schmid ist Head of Central Region bei Webfleet

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel