Für das Supply Chain Management von Unternehmen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, stellt das geplante PFAS-Verbot eine große Herausforderung, aber auch eine Chance dar.

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PFAS-Chemikalien: Ein Wendepunkt für Industrie und Supply Chain Management

08.02.2024

Die bevorstehende EU-Regulierung von PFAS-Chemikalien stellt die Industrie vor neue Herausforderungen: Unternehmen müssen ihre Supply Chains und Produktionsprozesse dringend überdenken. Diese Entwicklung zwingt zu Innovation und bietet Chancen für Umweltschutz und technologischen Fortschritt.

PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind eine Gruppe industriell hergestellter Chemikalien, die sich durch chemische Stabilität und Langlebigkeit auszeichnen. Diese Eigenschaften haben ihnen den Namen "Ewigkeitschemikalien" eingebracht. PFAS finden sich in einer Vielzahl von Produkten, von Industriebremsen über Kochgeschirr bis hin zu medizinischen Geräten. Ihre Robustheit hat jedoch eine ernste Kehrseite: PFAS bauen sich in der Umwelt nicht ab, reichern sich in Organismen an und können schwere Krankheiten auslösen.

Als Reaktion auf diese Risiken hat die Europäische Union ein weitreichendes Verbot dieser Chemikalienklasse vorgeschlagen. Das geplante Verbot, das nahezu alle PFAS-Verbindungen umfasst und kaum Ausnahmen zulässt, stößt auf geteilte Meinungen und stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Viele Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre Produktionsprozesse grundlegend zu überdenken und nach Alternativen zu suchen. Die Anpassung an die neuen Regelungen ist nicht nur technisch komplex, sondern auch kosten- und zeitintensiv.

Die neue Verordnung gilt als wegweisend, da sie den Umweltschutz fördert und gleichzeitig die Industrie zu Innovationen und zur Entwicklung neuer, sicherer Materialien anregt. Die EU fördert bereits Projekte zur Erforschung von PFAS-Alternativen und nährt damit die Hoffnung, dass das Verbot auch als Katalysator für technologischen Fortschritt wirken kann.

Für das Supply Chain Management von Unternehmen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, stellt das geplante Verbot eine große Herausforderung, aber auch eine Chance dar. Es erfordert eine umfassende Überprüfung und Anpassung der Lieferketten, um die Einhaltung der neuen Vorschriften sicherzustellen. Unternehmen müssen ihre internen Prozesse analysieren, mit ihren Zulieferern - und unter Umständen auch mit deren Zulieferern - kommunizieren und möglicherweise ihre Produkte umgestalten. Unabhängig von der Branche, in der produziert wird, sollten Unternehmen die folgenden Schritte in Betracht ziehen:

1. Umfassende Bestandsaufnahme: Beginnen Sie mit einer detaillierten Analyse Ihrer derzeitigen Produkte und Prozesse, um zu verstehen, wo und wie PFAS verwendet werden. Untersuchen Sie Materialien und Komponenten in Ihrer gesamten Lieferkette und identifizieren Sie alle potenziellen PFAS-Quellen.

2. Informationsbeschaffung und Schulung: Stellen Sie sicher, dass Ihr Team über die neuesten Informationen zu PFAS und den damit verbundenen Vorschriften verfügt. Schulungen und Workshops können helfen, das Bewusstsein zu schärfen und ein gemeinsames Verständnis der Herausforderungen und Anforderungen zu schaffen.

3. Kommunikation mit Lieferanten: Kommunizieren Sie aktiv mit Ihren Lieferanten, um Transparenz über deren Verwendung von PFAS zu erhalten. Diskutieren Sie mit ihnen mögliche Alternativen zu PFAS-haltigen Materialien und fordern Sie Nachweise über die Einhaltung der Vorschriften.

4. Forschung und Entwicklung von alternativen: Investieren Sie in Forschung und Entwicklung, um alternative Materialien oder Verfahren zu finden, die PFAS ersetzen können. Kooperationen mit Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen können helfen, innovative Lösungen schneller zu finden und umzusetzen.

5. Digitale Integration und Automatisierung: Nutzen Sie digitale Tools, um Ihre Lieferkette transparenter zu machen. Automatisierte Systeme können helfen, Compliance-Daten effizient zu erfassen, zu verarbeiten und zu überwachen. Dies verbessert nicht nur die Compliance, sondern optimiert auch die Supply Chain Prozesse.

6. Risikomanagement und Szenarioplanung: Entwickeln Sie Pläne für verschiedene Szenarien, einschließlich der Möglichkeit von Lieferengpässen oder -ausfällen. Risikomanagement-Tools können helfen, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten.

7. Stakeholder-Kommunikation: Pflegen Sie eine offene und transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern, einschließlich Kunden, Investoren und Regulierungsbehörden. Informieren Sie sie regelmäßig über Ihre Fortschritte bei der Anpassung an die PFAS-Richtlinien und über die Maßnahmen, die Sie ergreifen, um die Konformität sicherzustellen.

8. Langfristige Strategieentwicklung: Betrachten Sie die PFAS-Leitlinien als Anstoß zur Förderung nachhaltigerer Praktiken in Ihrem Unternehmen. Entwickeln Sie eine langfristige Strategie, die nicht nur die Einhaltung der aktuellen Vorschriften, sondern auch zukünftige Entwicklungen und Marktanforderungen berücksichtigt.

Die angekündigte EU-Richtlinie zur Gruppe der PFAS-Chemikalien zeigt die Notwendigkeit der digitalen Transformation. Digitale Werkzeuge helfen, Lieferketten zu durchleuchten, Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Die Investition in digitale Technologien wird damit zu einem entscheidenden Faktor, um in einem sich schnell verändernden Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben und auf neue Regulierungen angemessen und schnell reagieren zu können.

Das geplante Verbot von PFAS zeigt, wie tiefgreifend regulatorische Entscheidungen die Wirtschaft beeinflussen können und wie wichtig es für Unternehmen ist, agil, innovativ und wandlungsfähig zu sein. Es ist ein Beispiel dafür, wie Umweltschutzmaßnahmen und Industriepolitik ineinandergreifen und neue Wege in der Produktentwicklung und im Supply Chain Management eröffnen können.

Der Autor: Carsten Stelter ist Senior Director Supply Chain Management bei Genpact.

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