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Transgourmet: Über Biogas zum Elektro-Lkw zum 1,5-Grad-Ziel

15.06.2023

Der Lebensmittelgroßhändler Transgourmet hat sich schon vor einigen Jahren der Nachhaltigkeit verschrieben. Umso ambitionierter sehen die aktuellen Ziele des Unternehmens aus – wobei vor allem die Logistik im Vordergrund steht. Was diese Ziele konkret bedeuten und wie Transgourmet diese erreichen will, erzählt Kathrin Caro, Leiterin der Nachhaltigkeitsabteilung, im Interview.

DVZ: Frau Caro, die Frage, welcher Treibstoff am besten geeignet ist, wird aktuell in der Logistik heiß diskutiert. Sie setzen auf Biogas, aber wie blicken Sie auf die anderen Antriebsarten?

Kathrin Caro: Wir sehen Biogas als Brückentechnologie und glauben, dass die Zukunft eher im Strombereich oder in einem Mix aus Biogas- und Elektro-Lkw liegt. Das Biogas für unsere Biogas-Lkw besteht überwiegend aus Abfallstoffen und ist dementsprechend nahezu emissionsfrei. Trotzdem sind wir sehr interessiert am Elektro-Lkw. Was uns im Bereich Elektro-Lkw auf jeden Fall noch fehlt, wäre die Ladeinfrastruktur. Nicht alle unsere Standorte wären dafür heute schon geeignet. Wasserstoff spielt für uns nicht so eine große Rolle. Einerseits, weil in Deutschland grüner Wasserstoff kaum verfügbar ist, und andererseits, weil wir das eher auf der Langstrecke sehen. Wir haben durchschnittliche Fahrten von 180 Kilometern – da kommen wir in vielen Bereichen mit Strom schon gut hin.

Wieso ist eine nachhaltige Logistik für Transgourmet von Bedeutung?

Die Logistik sorgt bei uns für knapp 30.000 Tonnen der insgesamt 40.000 Tonnen an Emissionen, die wir insgesamt verursachen. Vor zwei Jahren haben wir beschlossen, in größerem Stil auf Biogas-Lkw zu setzen. Biogas ist für uns die Antriebstechnologie, die für unsere Strecken optimal ist und sowohl von der Verfügbarkeit als auch vom Preis im Moment sehr gut mithalten kann. Letztes Jahr haben wir uns zudem überlegt, wie wir mit gestörten Lieferketten – wie etwa durch Corona oder den Krieg in der Ukraine – umgehen können. Wir wollen unsere Kunden miteinbeziehen und zeigen, welchen Einfluss sie auf die Klimawirkung unserer Belieferung nehmen können. Zusätzlich erfüllen wir seit dem 1. Oktober die freiwillige Leistung, alle Emissionen in der Logistik, die wir heute noch verursachen, zu kompensieren. So können wir dem Kunden jetzt schon eine klimaneutrale Lieferung anbieten.

Wie können Sie Kunden davon überzeugen, dass der grünere Weg der bessere ist?

Wir haben unsere Fachberater sehr intensiv auf das Thema Logistik geschult. Die Kollegen versuchen gezielt, die Kunden davon zu überzeugen, sich zu beteiligen. Wir können grundsätzlich allen Kunden sofort einen klimaneutralen Transport anbieten, sensibilisieren sie aber auch dafür, dass sie weiter Gutes tun können, indem Stopps reduziert werden. Für jeden Kunden, der dem zustimmt, pflanzen wir am Ende des Jahres Bäume. Mit einem Kunden allein können wir so 3.500 Stopps im Jahr einsparen, für einen Großkunden wären es 5.000 Stopps. Schließlich verfolgen auch unsere Kunden eigene Klimaziele. Wenn sie ihre Emissionen durch unser Angebot relativ einfach reduzieren können, sind sie auch bereit, das zu tun.

Kathrin Caro ist seit anderthalb Jahren bei Transgourmet Deutschland tätig und leitet die Nachhaltigkeitsabteilung des Unternehmens. Davor arbeitete sie acht Jahre lang als Leitung Nachhaltigkeit bei Hofer in Österreich. Caro beschäftigt sich bei Transgourmet mit allen Themen, mit denen ein Händler im Bereich Nachhaltigkeit zu tun hat. Transgourmet ist neben Deutschland auch in Österreich, der Schweiz, Polen, Rumänien, Frankreich und seit vergangenem Jahr ebenfalls in Spanien vertreten. In jedem der genannten Länder gibt es mindestens eine Person, die – so wie Kathrin Caro in Deutschland – Nachhaltigkeitsthemen betreut.

Welche konkreten Ziele verfolgt Transgourmet in Bezug auf die Reduzierung von CO₂-Emissionen?

Als Coop-Gruppe verfolgen wir das Ziel, die absoluten Emissionen um 21 Prozent bis 2026 zu reduzieren. In den Ländern, wo mehr möglich ist, wird auch mehr reduziert. Aber wir haben noch ein spezifisches Ziel in der Transportlogistik: Wir wollen unseren CO₂-Fußabdruck pro ausgelieferter Warentonne bis 2026 um 26 Prozent reduzieren. Dabei spielt auch der Faktor Effizienz eine Rolle. Allein von 2021 auf 2022 haben wir dabei ganze 17,65 Prozent eingespart. Grund dafür war vor allem, dass wir aus der Corona-Krise kamen und wir letztes Jahr extrem stark gewachsen sind – wir konnten viel effizienter fahren. Absolut gesehen haben wir unseren Fußabdruck nur um 0,8 Prozent reduziert, was aber auch wieder an unserem starken Wachstum lag.

Ist das absolute Ziel realistisch?

Es ist auf jeden Fall ambitioniert, aber wir werden das durch den Umstieg auf Biogas schaffen. Die Lkw, die wir letztes Jahr bestellt hatten, kamen auch alle erst im Dezember an. Das heißt, dass die tatsächlichen Einsparungen erst in diesem Jahr stattfinden. Im April sind noch weitere Lkw angekommen. Wir werden dieses Jahr nochmal eine enorme Einsparung haben und deshalb auch die 13 Prozent erreichen.

Wie sieht die Struktur der Nachhaltigkeitsabteilung bei Transgourmet aus?

Ich habe aktuell zwei Mitarbeiterinnen und auch immer wieder zusätzliche Unterstützung durch duale Studierende oder Praktikantinnen und Praktikanten. So versuchen wir bei Transgourmet Deutschland inklusive der größten Töchter das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen zu steuern. Aber das ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Man braucht viele Kollegen, die mitziehen. Wir sind Teil der Coop-Gruppe und haben international einheitliche Nachhaltigkeitsziele, die für die gesamte Gruppe gelten. Dabei sind wir im Austausch mit dem großen Nachhaltigkeitsteam der Muttergesellschaft und den anderen Transgourmet-Ländern.

Die Coop-Gruppe umfasst viele Unternehmen in verschiedenen Regionen. Wie können diese dieselben Ziele verfolgen, wenn die Bedingungen vor Ort jeweils unterschiedlich sind?

Wir haben zwar überall das gleiche Ziel, der Zielwert kann aber durchaus variieren. Zum Beispiel ist eines unserer Ziele bei Transgourmet Deutschland, dass 50 Prozent unserer Eigenmarken-Produkte bis 2026 einen höheren Tierwohlstandard erreichen sollen. Bei Coop Schweiz ist der Tierwohlstandard zum Beispiel deutlich höher als bei uns, während der Wert in Rumänien tiefer liegt. Wir arbeiten also an den gleichen Zielen anhand von unterschiedlichen Skalen. Es handelt sich aber um ambitionierte Ziele für jede Gesellschaft.

Das Reporting von CO₂-Emissionen erweist sich oft als kompliziert. Haben Sie ein eigenes System aufgebaut, um Emissionen zu erfassen, oder arbeiten Sie mit einem Partner zusammen?

Die Scope-1- und Scope-2-Emissionen erfassen wir selbstständig, was auch tatsächlich gar nicht so kompliziert ist: Im Endeffekt brauchen wir die Daten unserer Stromherkunft und im Bereich der Logistik die Daten unserer Verbräuche und Kältemittel. Die werden dann anhand von Emissionsfaktoren auf unsere CO₂-Emissionen umgerechnet. Deutlich schwieriger ist das Erfassen unserer Scope-3-Emissionen. Dafür hatten wir letztes Jahr einen Partner, der die gesamte Gruppe dabei unterstützt hat. Transgourmet arbeitet seit 1. Oktober letzten Jahres für die CO₂-Kompensation mit MyClimate zusammen.

Wie stehen Sie zum – oftmals auch kritisierten – Thema „CO₂ kompensieren“?

Wir haben Klimaschutzprojekte in Madagaskar, Uganda und Indonesien. Bei allen Projekten geht es bewusst nicht um Aufforstung, da es ungewiss ist, wann und ob das ausgestoßene CO₂ durch gepflanzte Bäume wieder reingeholt werden kann. Alle Projekte haben Bezug zu Lebensmitteln, Kochen und Wasser. Die Emissionsreduktion erfolgt dadurch, dass weniger Entwaldung stattfindet. Da es sich um Goldstandard-zertifizierte Projekte handelt, kann man davon ausgehen, dass die Emissionsreduktion auch tatsächlich stattfindet. Viel besser wäre es natürlich, wir hätten gar keine Emissionen, aber das geht de facto noch nicht. Die Kunden verbinden Klimaschutz meistens mit umpflanzen. Deshalb arbeiten wir zusätzlich mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald zusammen. So können wir den Kunden noch einen zusätzlichen Benefit dafür geben, dass sie sich daran beteiligen.

Die Transgourmet Holding AG ist ein 2008 gegründetes Großhandelsunternehmen mit Sitz in Basel, das zur Coop-Gruppe gehört. Unter der Dachmarke Transgourmet Deutschland sind die Spezialisten Transgourmet für den Belieferungsgroßhandel und Selgros für den Abholgroßhandel vertreten. Hinzu kommen weitere spezialisierte Unternehmen mit einem breiten Leistungsangebot. In Deutschland ist Transgourmet Marktführer im Belieferungsgroßhandel für Kunden aus Gastronomie, Hotellerie, Betriebsverpflegung, sozialen Einrichtungen, Einzelhandel und weiteren Gewerben. Sitz des Unternehmens ist im hessischen Riedstadt. Mit rund 27.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von rund 8,1 Milliarden Schweizer Franken (2020) ist die Transgourmet Holding AG das zweitgrößte Unternehmen in diesem Geschäftsfeld in Europa. Transgourmet verfügt aktuell über 717 Lkw, wovon mittlerweile 90 mit Biogas angetrieben werden. Bis 2026 sollen zwei Drittel der Flotte aus Biogas-Lkw bestehen. Transgourmet wurde für den Eco Performance Award 2023 in der Kategorie Großunternehmen nominiert.

Ist Nachhaltigkeit bei Transgourmet eher ein internes oder externes Thema?

Wir haben immer den Kunden im Blick, um ihm die richtigen Lösungen anbieten zu können. Aber wir merken immer mehr, dass das Thema Nachhaltigkeit auch für Mitarbeiter wichtig ist. Ich denke, dass es auch eine Generationenfrage ist: Je mehr junge Kollegen dazustoßen und je mehr ältere Kollegen abgelöst werden, desto wichtiger ist es für Transgourmet, sich als Arbeitgebermarke so zu positionieren.

Welchen Raum nimmt die Nachhaltigkeit bei Transgourmet generell ein, und welche Themen drängen sich am meisten in den Vordergrund?

Ein starker Fokus liegt auf dem Bio-Sortiment. Wir haben mit Transgourmet Natura die erste Bio-Eigenmarke im Lebensmittelhandel für die Außer-Haus-Verpflegung entwickelt und sind damit auch extrem erfolgreich. Bio spielt in der Außer-Haus-Verpflegung eine immer größere Rolle und daher ist die Nachfrage auch stark vorhanden. Zusätzlich haben wir ein Projekt namens „Die Bio-Möglichmacher“. Dabei wollen wir konventionelle Landwirte dabei unterstützen, auf Biolandwirtschaft umzustellen. Aktuell dürfen sich Landwirte bei uns um eine Förderung von 1.000 Euro im Monat über einen Zeitraum von zwei Jahren bewerben. Gleichzeitig geht es darum, alle unsere Eigenmarken in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln, sodass diese einen Mehrwert gegenüber Markenartikeln vorweisen.

Sie haben Ihre Ziele in Richtung grüne Logistik für 2026 angelegt. Wie geht es danach weiter?


Unsere Zielperioden dauern immer fünf Jahre. Deswegen werden wir im Jahr 2025 neue Ziele entwickeln für die nächste Periode. Natürlich ist das Ziel, bis 2050 bei Netto-Null-Emissionen anzukommen. Mit unserer Lkw-Flotte ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass wir das schon früher schaffen. Wichtig zu bedenken ist jedoch, dass wir schon jetzt am liebsten nur mit alternativen Treibstoffen angetriebene Lkw kaufen würden, es aber nicht können, weil die Infrastruktur dafür nicht gegeben ist. Die fehlende Infrastruktur von Tankstellen und zu wenige Werkstätten sind die momentanen Hemmnisse. Sollten wir 2026 sehen, dass diese aus dem Weg geräumt wurden, würden wir uns für die Zukunft sicher noch viel ambitioniertere Ziele setzen.

Transgourmet möchte sich weiterhin dem 1,5 Grad-Ziel verschreiben – ein Ziel, das von vielen Seiten mittlerweile als utopisch angesehen wird. Wie wollen Sie es schaffen?

Wir wählen unsere Ziele, die von der Science Based Target Initiative validiert werden, sodass unser Beitrag für 1,5 Grad reichen würde. Aber natürlich müsste jeder die gleichen Ziele haben, damit auch die Welt die 1,5-Grad-Grenze einhält – wonach es momentan nicht aussieht. So können wir zumindest unseren Beitrag leisten und wissen, dass es an uns nicht scheitern wird.

Sind noch weitere Projekte für eine nachhaltigere Logistik bei Transgourmet für die Zukunft geplant?

Konkret geplant nicht, aber wir haben schon ein paar Ideen. Zum Beispiel in Richtung der Speditionen: Da werden wir nochmal verstärkt in den Austausch gehen, um zu schauen, wie wir auch da nachhaltiger unterwegs sein können. Durch unsere Scope-3-Erhebungen wissen wir, dass auch die Lieferung zu uns bei unserem ganzheitlichen CO₂-Fußabdruck eine Rolle spielt. Auch da wollen wir mit den Lieferanten verstärkt in den Austausch gehen und die Logistik weiterentwickeln. Zusätzlich versuchen wir, innerhalb der Coop-Gruppe durch den engen Austausch mit anderen Ländern voneinander zu lernen.

Nachhaltigkeit geht weit über das Thema Logistik hinaus. Welche Maßnahmen setzt Transgourmet noch um?

Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie, die auf drei Säulen basiert. Auch diese Strategie ist für die gesamte Coop-Gruppe, zu der Transgourmet gehört, einheitlich. In der ersten Säule geht es um nachhaltige Sortimente, im zweiten Bereich um Umwelt- und Klimaschutz und in der dritten Säule um gesellschaftliches Engagement. Für alle drei Säulen haben wir Ziele definiert, aktuell für die Periode 2021 bis 2026. Insbesondere bei unserer Eigenmarke Transgourmet Ursprung wollen wir sicherstellen, dass die Produkte aus Produktionsstätten stammen, in denen die Sozialbedingungen in Ordnung sind. In der zweiten Säule haben wir die Themen CO₂-Emissionen, Ziel netto null bis 2050 sowie Kreislaufwirtschaft: Wir wollen neben Energie- und CO₂-Zielen auch Verpackungen reduzieren und Foodwaste vermeiden. Im Bereich der dritten Säule beschäftigen wir uns hauptsächlich mit Themen wie Fluktuationszahlen oder Frauenförderung.

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