Im Dezember 2021 wurde ein 18 Meter hohes E-Sail auf dem Theaterschiff „La Naumon“ in Spanien installiert.

Bild: Bound4blue

Grüne Schifffahrt: Es liegt etwas in der Luft

18.12.2023

Mit neuartigen Flügelsegeln will das spanische Start-up Bound4blue den Treibstoffverbrauch und die Emissionen in der Schifffahrt besonders kosteneffiizient senken.

Die drei Gründer kennen sich mit Windantrieb aus. Sowohl CEO Jose Miguel Bermúdez als auch COO Cristina Aleixendri und CTO David Ferrer sind Luftfahrtingenieure. Auf der Suche nach einem spannenden Projekt für den Einsatz von Windantrieben dachten sie zunächst an ein ausschließlich mit Segeln angetriebenes Schiff, um Wasserstoff zu erzeugen.

Bei ihrer Marktbeobachtung stellten sie jedoch fest, dass es keine solchen Systeme mit ausreichender Antriebskraft gab, um im Vergleich zu den bisherigen Produktionsmethoden kostengünstigere Energie zu erzeugen. Also begannen sie mit der Entwicklung eines kosteneffizienten Windantriebssystems und gründeten dazu 2014 das Start-up Bound4blue mit Hauptsitz in der nordspanischen Stadt Cantabria und Büros in Barcelona sowie in Singapur.

In den 1980er-Jahren entwickelte Segeltechnologie als Basis

„Basis dafür ist eine Segeltechnologie namens Turbosail, die von Jacques Cousteau, Lucien Malavard und Bertrand Charrier in den 1980er-Jahren entwickelt wurde“, berichtet Aleixendri. „Zwei Einheiten wurden damals auf Cousteaus Forschungsschiff ‚Alcyone‘ eingebaut, aber die Technologie kam in keinem größeren Umfang zum Einsatz.“ Dabei sollte dadurch eine Treibstoffersparnis von rund 35 Prozent möglich sein.

Nach einer vierjährigen Prototypenerstellungsphase entstand das sogenannte E-Sail, mit dem nach Angaben von Aleixendri etwa sechs bis sieben Mal mehr Auftrieb als durch ein herkömmliches Segel erzeugt werden kann. Ein weiteres Plus: „Bei unserem System ist der Stromverbrauch minimal, da sich dieser auf den Ventilator beschränkt“, berichtet die COO. „Außerdem ist die mechanische Komplexität gering und der automatische Betrieb zuverlässig.“

Auch bei Bound4blue geht es allerdings – ähnlich wie Zephyr & Borée aus Frankreich – nicht darum, für den Antrieb ausschließlich auf Wind zu setzen. Vielmehr sollen die automatisierten windunterstützten Antriebssysteme dazu beitragen, die regulatorischen Vorgaben der Seeschifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) und der EU einzuhalten.

In den vergangenen Jahren ging es dann Schlag auf Schlag: 2019 erfolgte die Validierung der aerodynamischen Leistung mithilfe der CFD-Simulation (Computational Fluid Dynamics, auf Deutsch Numerische Strömungsmechanik) zur Auslegung und Optimierung strömungsführender Bauteile und umströmter Körper bei Windkanalversuchen. 2020 wurde gemeinsam mit Herstellern aus der Windturbinenbranche die erste zwölf Meter hohe Anlage im realen Maßstab hergestellt und für die Durchführung von Bodentests sowie zur Verbesserung der aerodynamischen Effizienz des Systems verwendet.

Erste Installation im Juni 2021 auf Langleinenfischer „Balueiro II“

Die erste Installation eines Zwillingsmodells des zwölf Meter hohen E-Sails erfolgte im Juni 2021 auf der „Balueiro II“ in Panama. Der Langleinenfischer war damit das erste Fischereifahrzeug der Welt, das mit dieser Technologie fährt. Bereits im Dezember 2021 wurde ein 18 Meter hohes E-Sail auf dem Theaterschiff „La Naumon“ in Spanien installiert. „Es ist das größte Saugsegel der Welt, das für ein Schiff entwickelt wurde“, berichtet Aleixendri. „Wir haben auch die erste Version des Kippsystems und ein autonomes Kontrollsystem installiert.“

Die nächste für das Start-up wichtige Etappe war die Nachrüstung des 91 Meter langen Stückgutfrachtschiffs „Eems Traveller“ der niederländischen Reederei Amasus Shipping mit zwei 17 Meter hohen E-Sails. Im August dieses Jahres konnte das Unternehmen dann die erstmalige Installation von Saugsegeln auf einem Hochseetanker für Chemikalien der norwegischen Reederei Odfjell vermelden. Die Partnerschaft zielt darauf ab, den Zugang der E-Sail-Technologie auf die Tankschifffahrt auszuweiten. Die Entscheidung, mit Bound4blue zusammenzuarbeiten, wurde nach Unternehmensangaben durch eine von der schwedischen Schiffsversuchanstalt SSPA durchgeführte umfangreiche Studie gestärkt, in der verschiedene windunterstützte Antriebssysteme (WAPS) für die Odfjell-Flotte bewertet wurden. Die Installation soll 2024 abgeschlossen werden.

Serie-A-Finanzierung und Fördermittel über insgesamt 22,4 Millionen Euro

Anfang September gab das Start-up darüber hinaus bekannt, eine Seie-A-Finanzierung in Höhe von 15,9 Millionen Euro unter der Leitung von GTT Strategic Ventures abgeschlossen zu haben. An dieser haben sich der EIC Fund (European Innovation Council), Shift4Good, Louis Dreyfus Company Ventures, die Sustainable Ocean Alliance, Sun Returns, Kai Capital und bestehende Investoren wie die Ocean Born Foundation und das CDTI (Centre for the Development of Technology and Innovation) im Rahmen der Co-Investment-Initiative des Innvierte-Programms beteiligt. Die neuen Investoren schließen sich den bisherigen Anteilseignern von Bound4blue an, das sind institutionelle und private spanischen Investoren. Hinzu kommen 4,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfondsprogramm, der von der Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (CINEA) und 2,4 Millionen Euro aus dem EIC-Beschleunigungsprogramm.

Ende September meldete das Start-up, dass drei E-Sails auf dem Ro-ro-Schiff „Ville de Bordeaux“ der Reederei Louis Dreyfus Armateurs (LDA) installiert werden. Gechartert ist das Schiff derzeit von Airbus, um Flugzeugbaugruppen der A320-Familie von Europa nach Mobile in den Vereinigten Staaten zur Endmontage zu transportieren. Die jeweils 22 Meter hohen E-Sails werden im Vorfeld einer sechsmonatigen Leistungsüberwachung ab Anfang 2024 installiert.

Durch den Einsatz der windunterstützten Antriebstechnologie soll die "Ville de Bordeaux“ voraussichtlich jährlich bis zu 560 Tonnen Treibstoff und 1.800 Tonnen CO2-Emissionen einsparen und damit die MARPOL-Anhang-VI-Vorschriften erfüllen, die eine energieeffiziente Konstruktion und einen energieeffizienten Betrieb von Schiffen sowie den Übergang zu saubereren Treibstoffen und Technologien fördern.

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