Lkw-Anhänger auf einem Rastplatz in Agra, Indien.

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Logistik in Entwicklungsländern dekarbonisieren

20.12.2023

Die meisten Forschungsarbeiten über die Dekarbonisierung der Logistik beziehen sich auf die Industrieländer. Der Güterverkehr wird aber laut diverser Prognosen in Nicht-OECD-Ländern mit niedrigem Einkommen in den kommenden Jahren viel schneller wachsen. Welche besonderen Herausforderungen es dort gibt, erklärt Gastautor Prof. Alan McKinnon in seinem Bericht für die Weltbank.

Der Bericht, den ich für die Weltbank verfasst habe, konzentriert sich hauptsächlich auf den nicht-städtischen Güterverkehr in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC). Er stützt sich auf den Dekarbonisierungsrahmen für die Logistik, der aus fünf Hebeln besteht: Nachfragesteuerung, Verlagerung auf kohlenstoffärmere Verkehrsträger, bessere Auslastung der Frachtkapazitäten, Steigerung der Energieeffizienz und Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie. Für jeden dieser fünf Hebel untersuche ich aktuelle Trends in den LMICs, potenzielle Kohlenstoffeinsparungen, Umsetzungsbarrieren und relevante politische Instrumente.

Eine zentrale Frage, die sich dabei stellt, ist, ob die LMICs dazu bestimmt sind, den gleichen logistischen Entwicklungspfad zu verfolgen wie die europäischen und nordamerikanischen Länder. Denn im Allgemeinen führt dieser zu einer viel höheren Ausstoß von Treibhausgasen. Alternative Wege könnten den LMICs helfen, die Bindung an stark zentralisierte, zeitabhängige und straßenabhängige Logistiksysteme zu vermeiden und so den künftigen Dekarbonisierungsdruck zu verringern.

In dieser kurzen Zusammenfassung des Berichts gehe ich auf die Anwendung der fünf Hebel auf die Logistik in LMICs ein.

1. Mässigung des Nachfragewachstums im Güterverkehr

In der Vergangenheit gab es eine enge Korrelation zwischen dem Wachstum des Güterverkehrs und der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Regierungen der LMICs zögern daher, den Güterverkehr einzuschränken und damit das dringend benötigte Wirtschaftswachstum zu gefährden. Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur, die mit diesem Wachstum einhergehen, fördern die Zentralisierung von Produktions- und Lagerbetrieben und die Ausdehnung von Marktgebieten - räumliche Prozesse, die die Logistik im Allgemeinen kohlenstoffintensiver machen. Verschiedene Maßnahmen der Raumplanung, wie logistischer Aktivitäten in "Güterverkehrszentren" zu bündeln, die lokalisierter Stückgutverkehre und die Entwicklung von Fabriken und Lagern an Standorten mit Bahnanschluss zu fördern, können dazu beitragen, die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Kohlenstoffemissionen abzuschwächen.

2. Erhöhung des Anteils der mit kohlenstoffärmeren Verkehrsträgern beförderten Güter

In afrikanischen, lateinamerikanischen und südasiatischen Ländern ist der Anteil des Schienenverkehrs von 90 Prozent in den 1950er Jahren auf heute unter 30 Prozent und in einigen Ländern sogar auf weniger als 10 Prozent gesunken. Da die Kohlenstoffintensität des Gütertransports auf der Schiene im Durchschnitt 3-4 Mal niedriger ist als auf der Straße, sollte dieser Trend umgekehrt werden. Frühere Bemühungen von Regierungen in europäischen und asiatischen Ländern, das Ungleichgewicht zwischen Straße und Schiene auszugleichen, sind weitgehend gescheitert. Wenn man diese Erfahrungen berücksichtigt, lautet die Empfehlung meines Berichts, die Politik zur Verkehrsverlagerung ganzheitlicher zu gestalten, indem der Güterverkehrsmarkt und die Kraftstoffbesteuerung zugunsten der Schiene verändert werden. Außerdem sollte man gezielter nach Sektoren, Gütern und Korridoren vorzugehen und dabei anerkennen, dass nicht alle Marktsegmente wettbewerbsfähig sind, und ein breites Spektrum an politischen Instrumenten einsetzen - steuerliche, regulatorische, infrastrukturelle und beratende.

3. Optimierung der Auslastung der Güterverkehrskapazität

Hier geht es darum, die Beladung von Fahrzeugen innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu maximieren und die Überladung von Fahrzeugen einzudämmen, eine Praxis, die in LMICs viel weiter verbreitet ist als in entwickelten Ländern und die mit einem erheblichen Kohlenstoffverbrauch verbunden ist. Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass der Prozentsatz der leer gefahrenen Lkw-Kilometer in LMICs ebenfalls höher ist, obwohl ein Mangel an Nutzungsstatistiken auf Makroebene solche internationalen Vergleiche schwierig macht. Insgesamt ermittelt der Bericht elf Ursachen für die unzureichende Auslastung von Fahrzeugen und bewertet ihre Bedeutung für LMICs. Eine Kombination von Prozessen und politischen Maßnahmen, einschließlich der Digitalisierung, der Zusammenarbeit in der Lieferkette, der Lockerung der Größen- und Gewichtsbeschränkungen für Lkw und der strengeren Durchsetzung der Überladungsvorschriften, ist nötig, um die Kohlenstoffeffizienz der Fahrzeugbeladung zu steigern.

4. Verbesserung der Energieeffizienz von Lkws

Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass der Energieverbrauch pro Lkw-Kilometer und pro Tonnenkilometer in den LMICs viel höher ist als in Nordamerika und Europa. Das ist vor allem auf ältere und weniger gut gewartete Flotten, eine schlechtere Straßeninfrastruktur, eine unzureichende Qualifikation der Fahrer*innen, Subventionen für Dieselkraftstoff und eine Unterkapitalisierung des Güterverkehrssektors zurückzuführen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wurden 70 Prozent der neuen Lkw-Verkäufe im Jahr 2022 in Ländern mit gesetzlichen Kraftstoffverbrauchs-/CO2-Normen für Neufahrzeuge getätigt. Ein großer Teil der Lastkraftwagen in den LMICs wird aus zweiter Hand importiert, nachdem sie 5-6 Jahre oder länger in den USA, Europa und Japan betrieben wurden.Dies verzögert die internationale Verbreitung von energiesparenden Technologien. In der Zwischenzeit können unter anderem Fahrerschulungen, eine verbesserte Wartung, die Nachrüstung vorhandener Fahrzeuge mit kraftstoffsparenden Geräten und die Verlagerung von Lieferungen in Zeiten außerhalb der Hauptverkehrszeiten den Energieverbrauch und die Emissionen erheblich senken.

5. Umstellung der Logistik von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare Energien

Kurz- bis mittelfristig wird die Energiewende für Lkw in Richtung Biokraftstoffe gehen, obwohl das Angebot an umweltverträglichen Sorten dieser Kraftstoffe in den meisten LMICs sehr begrenzt ist. Längerfristig werden die Lkw-Flotten weltweit hauptsächlich durch Batterien dekarbonisiert, die mit kohlenstoffarmer Elektrizität aufgeladen werden. Dieser Übergang wird in den LMICs wahrscheinlich viel länger dauern, da sich der Verkauf von E-Lkw zunächst auf den globalen Norden konzentriert, die LMICs stark von der Einfuhr gebrauchter Lkw abhängig sind, ihre Transportunternehmen nicht ausreichend kapitalisiert sind und ihre Ladeinfrastruktur langsamer entwickelt wird. Die Dekarbonisierung des Stromnetzes wird in vielen dieser Länder ebenfalls langsamer vonstatten gehen, obwohl die Länder in den Tropen ein gutes Potenzial für die "Mikro-Erzeugung" von erneuerbarem Strom mit Hilfe von Solarzellen auf den Dächern von Lagerhallen zum Aufladen von Batterien und zur Versorgung von Intralogistikbetrieben haben.

Insgesamt zeigt der Weltbankbericht, wie LMICs das Tempo der Dekarbonisierung der Logistik durch die Anwendung einer breiten Palette öffentlicher und privater Initiativen beschleunigen können.

Der Bericht kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

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